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Mein zweijähriger Sohn weiß genau, was er will. Und sogar sehr genau, was er nicht will. Beides kommuniziert er entsprechend deutlich. Das trifft vermutlich auf viele Kleinkinder zu. In jüngster Zeit verstärkt sich das durch eine ausgeprägte Trotzphase. Er findet ständig neue Varianten, "nein" zu sagen.
Eine Zeitlang hat er so gerne Dinge abgelehnt, dass er auf Fragen, wie "Möchtest du noch einen Brokkoli essen?" oder "Sollen wir mal Zähne putzen?" mit "Nee, mh-mh, auch nicht, nein!" geantwortet hat. Damit auch wirklich gar kein Zweifel an seinen Absichten bestehen bleibt. Dazu schüttelte er heftig den Kopf und wedelte mit den Armen.
In letzter Zeit hängt er die Verneinung an das Ende oder den Anfang vieler Sätze: "Nicht ins Bett gehen jetzt!" oder "Neue Sandalen anziehen - nicht!". Letzteres ist dabei noch spannender für uns, weil am Schluss eines jeden Satzes immer noch eine Überraschung warten kann.
Weil mein Sohn gerade viel Blödsinn im Kopf hat, müssen aber auch wir ihm oft sagen, was er lieber nicht tun soll: "Bitte nicht das Joghurt auf den Boden kippen!" oder "Nicht den Ventilator umwerfen!" oder "Nicht das Joghurt in den Ventilator kippen!" Die Erfolgsquote dieser Bitten ist gering. Das liegt einerseits daran, dass er Grenzen austesten will. Andererseits, und diese Erkenntnis war neu für mich, weil er vielleicht gar nicht versteht, was wir meinen.
Eine Freundin machte mich kürzlich darauf aufmerksam, dass Kleinkinder das Wort "nicht" in Aufforderungen, nun ja, nicht verstehen. Zumindest bis zu einem gewissen Alter. Ihr Gehirn kann das nur schlecht verarbeiten und filtert es heraus. Übrig bleibt dann der Rest. Sagt man ihnen also so etwas wie "Wirf Papas Smartphone nicht in den Teich!" ist die Chance hoch, dass genau das Gegenteil passiert, weil man ihnen die Idee erst in den Kopf pflanzt .
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Zuerst reagierte ich genervt auf diese Info, weil ich dachte: Na toll, fast jedes dritte Wort, das ich zu ihm sage, ist momentan "nicht". Was also tun, um mit dem Kind zielführend zu kommunizieren? Man muss positiv formulieren, lautet der Vorschlag vieler Ratgebertexte im Internet. "Lass Papas Smartphone bitte auf dem Tisch liegen", sollte also besser klappen. Diese Umstellung ist wahnsinnig anstrengend. Ich bin es dermaßen gewohnt, meinem Sohn zu sagen, was er nicht tun soll, dass es mir vor allem im Affekt sehr schwerfällt, positiv zu formulieren.
Manchmal bringt auch die größte Hirnverrenkung wenig. "Nicht da hoch!", geht einfach schneller von der Zunge als "Bleib bitte auf dem Boden." Statt der Sätze, die mit "nicht" anfangen, sage ich nun häufiger "Stop!", "Lass das sein!" oder "Hör auf, dies und das zu tun!" Klingt auch nicht viel positiver, aber ich bilde mir ein, dass es bei meinem Sohn eher ankommt.
Andererseits ist es auch für unseren sonstigen Sprachgebrauch eine nützliche Übung, positiv zu formulieren. Zum Beispiel im Gespräch mit den Vorgesetzten: "Ich finde, für die Recherche zu Geruchsbelästigung um Mülldeponien wäre mein Kollege wesentlich besser geeignet!" statt "Ich will das aber nicht machen, weil es stinkt!"
Eine andere Möglichkeit, die angepriesen wird, ist, dem Kind Alternativen anzubieten. Ich stelle mir das so vor: Wenn mein Sohn wieder den Ventilator umwerfen will, biete ich ihm stattdessen an, einen Stuhl umzuwerfen. Das macht zwar auch Lärm, aber Stühle haben wir mehrere und wir brauchen sie im heißen Sommer nicht so dringend wie den Ventilator.