Björn Höcke und Mario Voigt
Duell? So etwas gibt es im Sport. Nicht in der Politik. Und so haben hier alle verloren
Michael Kappeler/picture alliance/dpa
Kein öffentlicher Raum für Demokratiefeinde
Diese Partei will nicht diskutieren
Die AfD will unser demokratisches System beschneiden und abschaffen. Sie ist nicht an einem gemeinsamen Diskurs interessiert. Und deshalb meine ich: Die Begegnung von Björn Höcke und Mario Voigt hätte nicht stattfinden dürfen
22.04.2024
3Min

Nun hat er es geschafft. Björn Höcke steht gemeinsam mit Mario Voigt auf einer öffentlichen Bühne. Der thüringische Spitzenkandidat der großen Volkspartei CDU redete vor wenigen Tagen im sogenannten Spitzenduell mit Björn Höcke, dem Spitzenkandidaten der AfD. Die AfD definiert sich auch gern selbst als Volkspartei. Dabei versteht sie den Begriff Volk zugleich ganz anders, nämlich in einem ausgrenzenden und Teile der Bevölkerung ausschließenden Sinne. 

Trotzdem hatte sich der CDU-Vorsitzende Mario Voigt auf eine gemeinsame Bühne mit Björn Höcke begeben, orchestriert vom dem zum Medienkonzern Springer gehörigen „Welt-TV“. Und es entstand eine Situation für die Öffentlichkeit, die Augenhöhe und Normalität zwischen einer demokratisch agierenden Partei und einer Partei, die in Thüringen als gesichert rechtsextrem eingestuft wird und dessen Parteivorsitzenden, der nach einem Gerichtsurteil auch als Faschist bezeichnet werden darf. 

Damit wäre eigentlich schon alles benannt, weshalb es diese Art von Augenhöhe und Normalität nie hätte geben dürfen. 

Kein gemeinsamer Nenner

Wir alle kennen Menschen in unserem beruflichen oder privaten Umfeld, mit denen wir inhaltlich in bestimmten grundsätzlichen Dingen auch nach vielen Gesprächen keinen gemeinsamen Nenner finden. Oder die immer wieder äußerst unhöflich mit uns kommunizieren. Sie scheinen eine ganz eigene Realität und Wahrnehmung der Dinge zu haben. Zumeist gehen wir diesen Personen dann aus guten Gründen bewusst aus dem Weg oder warnen auch Dritte vor diesen. 

In der Bildungsarbeit ist, jenseits von der Arbeit der Landeszentralen für politische Bildung, auch aus konkreten Erfahrungen heraus die Haltung gereift, Parteifunktionär*innen der AfD kein Podium zu bieten. Denn sie mögen vielleicht situativ sympathisch zugewandt formulieren, dass sie einer ähnlichen Meinung in diesem oder jenen Punkt seien. Jedoch ist die Ausgangsbasis eine völlig andere: wer, und das ist bei der AfD der Fall, unser demokratisches System beschneiden und abschaffen möchte, ist überhaupt nicht an einem gemeinsamen Diskurs interessiert. 

Rechtsextreme, antidemokratische Gesinnung ist keine zulässige Meinung

Es geht nicht um das Aushandeln eines Kompromisses oder eines Dialogs, wie sie das demokratische Parteiensystem und die Gewaltenteilung kennzeichnen. Worüber soll ich dann wie mit den Vertreter*innen dieser Partei reden? 

Die Gesprächsinhalte überlagern das eigentliche Ansinnen, nämlich nicht mehr im Gespräch sein zu müssen. 

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Eine rechtsextreme, antidemokratische Gesinnung ist innerhalb des demokratischen Spektrums keine zulässige Meinung, über die gestritten werden kann, da sie per se undemokratisch ist. Und so ist Mario Voigts sehenden Auges und wider besseren Wissens auf eine Bühne gegangen, auf der im Sinne der AfD möglichst bald gar kein Meinungsstreit mehr stattfinden soll, da die einzig richtige Meinung bereits definiert ist. 

Donald Trump lebt es in den USA. vor, wie dies Schritt für Schritt gelingt, alleine auf der Bühne zu stehen und den Streit der Argumente nicht mehr zuzulassen. Die eigene Realität von Höcke und der AfD gestaltete sich dann eben auch wie immer: es gab unzählige Falschbehauptungen, die parallel zur Sendung noch in einem eigenen AfD-„Faktencheck“ in den Sozialen Medien bewiesen worden. 

Und dann war es auch wie immer: es wurde diskutiert, wer das Duell denn nun gewonnen habe, wer Sieger geworden sei. Diese Frage mag im Sport berechtigt sein. 

Bei den herausfordernden Menschen in unserem Umfeld wissen wir, dass ein solches Gespräch schwer „zu gewinnen“ ist, es vor allem Kraft kostet und zumeist ratlos zurücklässt, die andere Person sich inhaltlich weder bewegt noch überzeugen lässt. Aber bei Streitgesprächen, bei denen vor allem die jeweils eigenen Follower empfinden, dass eine Person gewonnen oder verloren hat, gibt es keinen Sieg. Nur die besseren Argumente. Demokratiefeindlichkeit ist in einer Demokratie aber kein Argument, erst recht nicht auf einer Bühne, auf die ein Demokrat sich zu einem Gespräch mit einem Nichtdemokraten begibt. 

Die nächste Lüge folgte zugleich

Herr Voigt wollte Herrn Höcke „entzaubern“. Vielleicht vermochte er, die ein oder andere Lüge von Björn Höcke zu entzaubern, die nächste folgte jedoch zugleich, denn Höcke konnte viel erzählen. Wodurch das Problem jedes Mal größer wird. Es war und ist bekannt, dass ein Extremist sich nicht „entzaubern“, „demaskieren“ oder „stellen“ lässt. Es gibt andere Wege, als die gemeinsame Bühne. Die Sozialen Medien z.B., und nicht nur die Kanäle der AfD, sind seitdem voll mit seinen unlauteren Aussagen. Und die AfD wird in Zukunft in Thüringen und woanders fragen, weshalb denn nicht erneut wieder auf die gemeinsame Bühne gegangen wird, Herr Voigt habe es doch auch/schon einmal getan. 

Die gesellschaftliche Situation wühlt auf. Der Sächsische Landesbischof Tobias Bilz hat sich jüngst Zeit genommen, in einem Video zu erklären, weshalb sich Kirche und weshalb er sich selbst klar gegen die AfD äußern und äußern dürfen. Christlich würdevoll wie auch der Menschenwürde dem Grundgesetz entsprechend ist es, sich nicht gegen die Würde anderer zu richten.

Mario Voigt baute seine Argumentation auch auf dem von ihm als wichtig empfundenen Fakt auf, dass Herr Höcke ja Hausverbot in der in Thüringen liegenden KZ-Gedenkstätte Buchenwald habe. Was er aber nicht erzählt hat ist, dass (nicht nur) deren Gedenkstättenleitung deutlich benennt, dass Demokratiefeinde keine Bühne erhalten dürfen. 

Alles andere sei eine Normalisierung dessen, was nicht normal sein darf. Und das ist jedoch wieder passiert – ganz gleich wie die Wahlen in Thüringen ausgehen werden.

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Kolumne

Christian Kurzke

Christian Kurzke ist Studienleiter an der Evangelischen Akademie Sachsen. Täglich diskutiert er mit Menschen, die anders denken als er. Er will versuchen, sie zu verstehen, und schreibt über diese und andere Fragen in seiner Kolumne, einmal im Monat.