Welch ein (göttlicher) Moment! Die junge Frau steht am Rand des Kugelstoßrings, ihre Augen richten sich für einen kurzen Blick nach oben, ein Zwiegespräch mit Gott? Die Stimme des deutschen Reporters klingt angespannt: "Wird es vielleicht auch Gold? Da fehlt nicht viel", sagt er. Dann bewegt sie sich nach vorne, dynamische Drehbewegung, der Stoß kommt, die Kugel fliegt, schlägt nach gut anderthalb Sekunden auf den Boden, genau auf die 20-Meter-Marke. "Was ist denn hier los?", schreit der Reporter. Die Weitenmessung wird angezeigt – genau 20 Meter. Die deutsche Kugelstoßerin Yemisi Ogunleye reißt die Arme hoch, schlägt die Hände vors Gesicht. Gold für Ogunleye, Gold für Deutschland im olympischen Kugelstoßwettbewerb - welch ein Moment in Paris!
Jörg Bollmann
Doch Yemisi Ogunleye belässt es nicht dabei, sie verlängert ihren sportlichen Moment zur öffentlichen Botschaft über ihre innige Beziehung mit Gott. Wie alle Olympiasiegerinnen beginnt für sie nach dem Triumph der Interviewmarathon in der sogenannten Mixed Zone, in der die Journalistinnen und Journalisten aus der ganzen Welt auf Statements warten. Für die junge Frau, die 1998 als Tochter eines aus Nigeria stammenden Vaters und einer deutschen Mutter im rheinland-pfälzischen Germersheim geboren wurde, kein Problem. Sie gibt strahlend und bereitwillig Auskunft.
Ogunleye spricht aber nicht nur über ihren Sport, die Trainingsmethoden, die Vorbereitung auf Olympia. Im Augenblick ihres größten Triumphs tut sie etwas Besonderes: Sie bekennt sich in aller Öffentlichkeit zu Gott und zu ihrem Glauben. Überglücklich, noch etwas atemlos sprudelt es vor dem ARD-Mikrofon aus ihr heraus: "Ich war so in dem Moment, hab gesagt, jetzt ist dein Moment, hab einfach Glaube und na, stoß, so weit du kannst." Und dann singt sie, laut, schön und melodisch. "Let it shine." Welch ein Moment in Paris!
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Im ausgeruhten Gespräch am Tag danach im gemeinsamen Pariser Olympiastudio von ARD und ZDF fragt ARD-Mann Alexander Bommes nach ihrem Glauben. Ogunleye erzählt freimütig davon, dass Gott ihr diesen Moment geschenkt habe. Sie preist die Liebe Gottes, bezieht sich auf Johannes 3,16: "Denn also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, auf dass alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben."
Und Bommes? Der Mann, der schon so viele kritische Nachfragen in seinem sportjournalistischen Berufsleben gestellt hat, nimmt das nur staunend zur Kenntnis. "Ist es nicht ein bisschen naiv zu glauben, dass Gott Ihnen den Sieg geschenkt hat?" - Hätte er fragen können. Hat er aber nicht. Alexander Bommes hat diesen Glücksmoment der Yemisi Ogunleye, diese Werbung für den christlichen Glauben nicht zerstört. Ich habe das als sehr wohltuend empfunden. Es gab übrigens rundum großen Respekt in der Berichterstattung über diesen Olympiasieg dafür, dass sich Yemisi Ogunleye von ihrem Glauben getragen fühlt. Das finde ich großartig, denn das ist in unserer kritischen Medienwelt nicht selbstverständlich. Es ist auch ein besonderer Medienmoment.
So ist diese fröhliche Sportlerin, Yemisi Ogunleye, so ganz nebenbei zu einer unaufgeregten Botschafterin für den christlichen Glauben geworden. Mir als evangelischem Publizisten, der ich ein halbes Berufsleben gegen die schwindende Attraktivität von Kirche und Glauben angearbeitet habe, ist es in diesem Moment egal, ob ich ebenso fromm sein kann wie Yemisi Ogunleye. Ob ich daran glauben kann, dass ihr Gott bei diesem Kugelstoß die Hand geführt hat. Ich bin einfach nur dankbar für diese Momente in Paris, die uns Yemisi Ogunleye geschenkt hat.
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Ob die evangelische Kirche diese Dankbarkeit teilt? Öffentlich war das (noch) nicht wahrzunehmen, aber vielleicht kommt das ja noch. Ein gemeinsamer Auftritt zum Beispiel der amtierenden EKD-Ratsvorsitzenden mit der jungen Sportlerin in Funk, Fernsehen, in den sozialen Medien oder in Print – solche Anschlussmomente an den unvergessenen Abend von Paris wünsche ich mir.
Gold mit Gott
Diese Aussagen stammen von einer höchst sympathischen jungen Frau. Ich glaube ihr jedes Wort, dass sie das genauso erlebt hat. Ich habe mich allerdings ein paar Minuten später gefragt, ob ihre unterlegenen Konkurrentinnen auch Gott so dankbar waren, dass er ihre Wünsche nach dem Sieg nicht erfüllt hat. Wenn Gott nur einer(m) den Sieg schenken will oder kann (sonst wäre es kein Sieg), dann bitte ich Gott um Parteilichkeit für mich.
„Mit solchen Bitten und Klagen trage ich ein Bild von Gott in mir, der, um Schlimmes abzuwenden, in mein Leben eingreift, der allmächtig über meine Freiheit hinweg agiert. Aber würde er das wirklich tun, müsste er überall eingreifen. Wir würden bei allem, was wir vorhaben, damit rechnen, dass Gott es schon richtet. Wir würden zögern zu handeln, Wichtiges erst gar nicht anpacken und mit der Zeit jedes Risiko an Gott abgeben. Wir wüssten dann auch nicht mehr, ob wir eigentlich frei sind oder letztlich von Gott gelenkt werden." So Jutta Mügge in Explcit.net 17.05.2021, der ich voll zustimme.
Mit freundlichen Grüßen
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Gold mit Gott
Hat Jesus, dem als einziger Mensch die ganze Kraft des Geistes zuteil wurde, in einem Wettbewerb zur Schau gestellt was mit Medaillen belohnt/korrumpiert wird?
Hat der Wettbewerb den Menschen jemals klar gemacht wie das ganzheitlich-ebenbildliche Wesen Mensch gestaltet werden soll?
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