Was haben große Sportereignisse mit Prostitution zu tun? Eine Menge. Leider. Während des Sommermärchens, der Fußballweltmeisterschaft 2006, wurden Zehntausende Frauen - meist aus Osteuropa - nach Deutschland gebracht, um die Nachfrage zu bedienen. Angetrunkene Fußballfans zogen nach den Spielen durch Bordelle. Für viele ausländische Gäste ein ganz außergewöhnliches "Vergnügen", da in Ländern wie Italien oder Frankreich Bordelle schon seit Jahrzehnten verboten sind.
Barbara Schmid
Am 14. Juni beginnt die Fußballeuropameisterschaft bei uns in Deutschland. Und wird das nun eine Feier des Sports oder eher ein Fest für Zuhälter und Menschenhändler? Bis zu zwölf Millionen Gäste werden erwartet, an zehn Spielstätten von München bis Hamburg. Und wie sieht es mit den Olympischen Spielen aus, die am 26. Juli in Paris eröffnet werden?
Ein Arbeitskreis des Bundestages zeigte am Dienstagabend, dass der Umgang mit der wichtigen Frage nicht unterschiedlicher sein könnte: Leni Breymaier, SPD, hatte in den Arbeitskreis "Prostitution und Pornografie" eingeladen. Für die französische Regierung kamen zwei Spitzenbeamte, die die Kampagne ihres Landes vorstellten: für eine Olympiade ohne sexuelle Ausbeutung, ganz im Sinne der olympischen Charta, nach der die Menschenrechte geachtet und die Menschenwürde bewahrt werden müssen. In Deutschland gibt es die viel beachtete Kampagne "#RoteKartefürFreier". Sie wurde von dem gemeinnützigen Bundesverband Nordisches Modell ohne großes Geld und dafür mit viel Engagement auf die Beine gestellt. Dort eine staatliche Kampagne - und hier privates Engagement. Sexkauf ist in Frankreich seit 2016 verboten. Bei uns eben nicht.
Während die Franzosen im Arbeitskreis davon sprachen, dass große Sportereignisse ein Risiko für die Zunahme von Prostitution darstellen, das bekämpft werden müsse, ist das Thema bei unserer Regierung offenbar noch nicht angekommen. Das zeigte sich kürzlich bei einer gemeinsamen Pressekonferenz von Bundesinnen- und Sportministerin Nancy Faeser, SPD, und dem nordrhein-westfälischen Innenminister Herbert Reul, CDU. Was sie denn gegen einen Zuwachs von illegaler Prostitution während der Fußball-EM unternehmen würden, wurden sie von einem französischen Journalisten in der Bundespressekonferenz gefragt. Beide Minister wirkten ziemlich überrumpelt, als würden sie sich gerade zum ersten Mal damit beschäftigen. Das endete dann mit dem peinlichen Vergleich von Faeser, bei vielen Gästen käme es auch zu mehr Taschendiebstählen … Als Innenministerin sollte sie wissen, dass Prostitution zum Geschäftsfeld von Organisierter Kriminalität, Clans und Rockerbanden gehört. Und dass die allermeisten Prostituierten es nicht freiwillig tun, sondern brutal dazu gezwungen werden.
2006 beim deutschen Sommermärchen der Fußball-WM habe ich Prostitution zum ersten Mal selbst erlebt. Ich war Sprecherin für das Kulturprogramm, wohnte in den Hotels mit FIFA-Funktionären und -Mitarbeitern. Und bei manchen dieser Männer fand der wichtigere Teil der WM offenbar außerhalb der Stadien statt. Von den genervten Fahrern hörte ich immer wieder, wen sie nachts in welche Etablissements fahren mussten und welche Frauen sie in die Hotels gebracht hatten. Und ein paar Mal bin ich solchen jungen Frauen auch auf den Fluren begegnet.
Wo Frankreich bei den Olympischen Spielen mit aller Härte gegen Sexkäufer vorgehen will, macht Deutschland bei der Fußballeuropameisterschaft wieder mal seinem Ruf, das Bordell Europas zu sein, alle Ehre. Die Rote Karte ist da nur ein kleines, aber wichtiges Zeichen. Hoffentlich wird es von vielen gesehen.