Eine Traueranzeige im Treppenhaus
Kati Szilagy
Trösten
Eine Traueranzeige im Treppenhaus
Die scheue Nachbarin trauert um ihre Mutter. Wie reagiert man da? Pfarrerin Stefanie Schardien hat einen Rat.
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Aktualisiert am 27.07.2024
2Min

Elli W. aus Hannover fragt:

"Meine Nachbarin hat in unserem Mehrfamilienhaus an die Pinnwand eine Traueranzeige gehängt: Ihre Mutter ist gestorben. Die Familie bittet um Spenden für ‚Ärzte ohne Grenzen‘. Die Nachbarin lebt sehr zurückgezogen, ich kenne sie kaum und kannte ihre Mutter nicht. Was soll ich tun? Ihr schreiben? Spenden? Klingeln? Gar nichts?"

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Stefanie Schardien

Stefanie Schardien wurde 1976 in Dortmund geboren und wuchs in der Herzlichkeit des Ruhrgebiets auf. Studium und Beruf führten sie an mehrere Orte: nach Heidelberg, Toronto und Bochum, zum Vikariat nach Hattingen/Ruhr, mit einer Juniorprofessur für Systematische Theologie an die Universität Hildesheim und als Kindergottesdienstpfarrerin nach Nürnberg Als Pfarrerin der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern arbeitet sie seit 2016 im Team der Kirchengemeinde St. Michael in der Fürther Altstadt. Für Stefanie Schardien verbinden sich an diesem Ort die besten Eigenschaften von "Citykirche und Dorfgemeinde": "Die Gemeinde hat einen fröhlichen weiten Geist, der viel Kreativität ermöglicht; und gleichzeitig kennt man sich und kümmert sich umeinander." Den Sinn ihrer Arbeit sieht sie darin, gemeinsam den religiösen Fragen nachzugehen und die Antwortversuche des Glaubens zu übersetzen. Und dabei immer wieder auch von der christlichen Freiheit zu erzählen. "Denn die kann es mit all der Angst aufnehmen, die im Moment geschürt wird." Schardien ist überzeugt, dass viele Menschen großes Interesse an Themen haben, mit denen sich Theologie und Kirche beschäftigen. Darum verlässt sie auch gern einmal die Kirchenmauern: Seit langem ist sie für das Radio tätig, aktuell mit Evangelischen Morgenfeiern auf BR 1, und engagiert sich als Präsidiumsmitglied beim Deutschen Evangelischen Kirchentag.

Stefanie Schardien antwortet:

Mit Beileidsbekundungen ist es so eine Sache: Alle wissen, sie sind tröstlich. Trotzdem sind viele unsicher und ­zögern wie Sie: Was soll ich sagen oder tun? Will diejenige überhaupt angesprochen werden?

Hören Sie den chrismon-Podcast "Über das Ende"

Da Ihnen die Verstorbene und deren Tochter eigentlich fremd sind, wäre es nicht völlig unmoralisch, nicht auf die Anzeige im Treppenhaus zu reagieren. Mit diesem offensiven Weg fordert Ihre Nachbarin aber eine andere Entscheidung. Es geht ihr vermutlich weniger um die Spendenaktion als um ein Signal, dass sie sich über Kontakt freuen ­würde. Darum wäre eine kommentarlose Spende zwar auch eine Option, aber vermutlich gar nicht das, was sich Ihre Nachbarin erhofft.

Die Frage ist: Wie wichtig ist Ihnen eine fürsorgliche Gemeinschaft? Eine freundliche Karte wäre ein kleiner Schritt. Die wohl sozialste und mutigste Option wäre zu klingeln: Fragen Sie, wie es geht. Erzählen Sie von Ihrer Unsicherheit. Vielleicht hören Sie eine Geschichte über den Spendenzweck und geben umso lieber. Klar, theoretisch ist es möglich, dass die Nachbarin Sie verwundert vor der Tür stehen lässt. Die Chance auf eine weniger anonyme Gemeinschaft erscheint mir größer – wenn Sie das möchten.

Eine erste Version dieses Beitrags erschien am 25.08.2021.

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"Meine Nachbarin hat in unserem Mehrfamilienhaus an die Pinnwand eine Traueranzeige gehängt: Ihre Mutter ist gestorben. Die Familie bittet um Spenden für ‚Ärzte ohne Grenzen‘. Die Nachbarin lebt sehr zurückgezogen, ich kenne sie kaum und kannte ihre Mutter nicht. Was soll ich tun? Ihr schreiben? Spenden? Klingeln? Gar nichts?"

Antwort :
1. einmal: selber entscheiden, statt Frau Schardien fragen.
2. würde ich spenden, wenn ich kann,
3. den Wunsch der Trauernden respektieren.

Zudem könnte sich trotzdem einmal die Gelegenheit ergeben, irgenwann auf das Thema zurückzukommen. Schliesslich ist Trauer ein Universalthema, mit dem alle einmal konfrontiert werden. Ausnahmslos.
Empathie und Mitgefühl brauchen manchmal auch Zeit, um zu wachsen.