Spenden: Wie finde ich heraus, was zu mir passt?
Moritz Wienert
Wofür spenden
Wofür soll ich spenden?
Wie man herausfindet, welcher Spendenzweck persönlich am besten passt. Jenseits der klassischen Spenden bei Katastrophen und Kriegen
Tim Wegner
Moritz Wienert
05.06.2024
5Min

Was ist mir wichtig?

Es gibt viele missliche Zustände in der Welt, aber das persönlich verfügbare Geld ist bei den meisten Menschen begrenzt, worauf also soll man sich beim eigenen Spenden konzentrieren? "Folgen Sie Ihrem Herzen", sagt Kai Fischer. Er hat als Kulturwissenschaftler zu den Motiven beim Spenden geforscht, heute berät er mit seiner Firma Mission Based wohltätige Organisationen dabei, zu Spenden kommen. Und wofür das Herz schlägt, habe was zu tun mit den eigenen Werten, der Biografie, auch der Identität, der Rolle, die man gerade hat. Fischer nennt ein einfaches Beispiel: Als Eltern spendet man gern für den Kindergarten und für den Förderverein der Schule.

Was finde ich empörend?

"Was ist mir wichtig?" Das wäre eine Frage, die man sich stellen könnte. Und wenn einem alles Mögliche wichtig ist? "Dann fragen Sie sich: Was triggert mich?", sagt Kai Fischer. Was finde ich in dieser Gesellschaft unerträglich? Und was unter dem möglicherweise vielen Unerträglichen findet man besonders unerträglich? Er selbst findet unerträglich, was Menschen einander antun. Ganz besonders unerträglich: dass Menschen mitten in Europa als Sexsklavinnen gehandelt werden. Auch Kinderarbeit für Schokolade – unerträglich, wenn er nur daran denkt.

Empörung entsteht, wenn Werte, die uns wichtig sind, verletzt werden – durch das Verhalten einzelner Menschen (sexualisierte Gewalt gegen Kinder) oder durch die gesellschaftliche Praxis (Kinderarmut etwa). Was aber die wichtigsten Werte sind, die man als verletzt wahrnimmt, da kämen die Menschen durchaus zu unterschiedlichen Ergebnissen, so Fischers Erfahrung. Für die einen sei unglaublich wichtig, dass Kinder zur Schule gehen können, für andere, dass die Umwelt nicht kaputtgeht.

Was sagt mir meine Lebensgeschichte?

Neben dem Gefühl der Empörung kann auch die eigene Lebensgeschichte bedeutsam werden für die Entscheidung für einen bestimmten Spendenzweck. Also dass man selbst von etwas betroffen ist oder dass Nahestehende betroffen sind. Trauerbegleitung für Kinder und Jugendliche wird zum Beispiel gern unterstützt von Menschen, die in ihrer Kindheit oder Jugend jemanden verloren haben. Das erste Aidshospiz wurde aus der Schwulenbewegung finanziert, oft von Freunden und Freundinnen der verstorbenen Schwulen.

Wofür bin ich dankbar?

Auch eine positive Lebenserfahrung kann zum Spenden motivieren: dass einem ein Schicksal knapp erspart geblieben ist – man konnte sich dank Beratung gegen Mobbing wehren und behielt den Job; oder man hat Gutes erfahren und will es nun auch anderen ermöglichen: Klavierspielen lernen, obwohl die Eltern kein Geld haben. Vielleicht bekam man einen Auslandsaufenthalt finanziert, eine besondere Therapie ... So kann auch Dankbarkeit den Weg weisen zum persönlich passenden Spendenzweck.

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Wofür wird wenig gespendet?

Womöglich hat man nun eine ganze Reihe von Problemfeldern oder Zielgruppen gefunden, die einem sehr am Herzen liegen. Was dann? Ise Bosch rät in ihrem Buch "Besser spenden!" zu diesem Vorgehen: die Themen streichen, für die es bereits vergleichsweise viel Förderung gibt. Kinder, zumal krebskranke Kinder, und Tiere zum Beispiel. Außer Nutztiere, für die gibt es sehr wenig Geld. Ise Bosch hat eine – unvollständige – Liste von "unterförderten" Themen zusammengestellt.

Dann, so rät Ise Bosch, möge man die persönlich sechs wichtigsten Themen auswählen und aufschreiben. Man ahnt es schon: Im nächsten Schritt bestimmt man die drei wichtigsten dieser sechs. Und vielleicht klärt sich nun auch, welches Thema einem mit Abstand das allerwichtigste ist.

Welche Organisation passt zu mir?

Und dann wissen viele nicht weiter: Sie haben das Thema, aber für welche der Organisationen, die dieses Thema bearbeiten, sollen sie spenden? Für Leute, die eine größere Summe philanthropisch anlegen wollen, gibt es (meist kommerzielle) Beratung. "Da sind jede Menge Bankleute unterwegs, die mal einen Kurzkurs gemacht haben: Wie baue ich eine Stiftung auf", sagt Kai Fischer, der Fundraising-Experte, ein bisschen lästerlich. Echte Philanthropie-Berater- und Beraterinnen, die also mit den Leuten arbeiten und nicht nur ihr Geld verwalten wollen, gebe es eher wenige. Er nennt die Beratungsunternehmen Phineo oder Wider Sense (die beraten Organisationen). Auch Effektiv-Spenden berät, allerdings innerhalb eines begrenzten Spektrums an Spendenzielen. Und diese Beratungen sind eben nur für sogenannte Großspenderinnen/Großspender.

"Die meisten haben keinen Berater", beobachtet Kai Fischer, "die fördern, was sie in ihrem Umfeld haben und toll finden. Da kommen sie dann aber nicht gleich mit einer halben Million um die Ecke, sondern vielleicht mit ein paar Tausend, sie testen die Organisation erst mal, wie gehen die mit dem Geld um."

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Tipps, wie man suchen kann?

Man könnte so vorgehen: Wenn ich "mein" Thema gefunden habe, verenge ich es auf einen Aspekt innerhalb der Thematik – beispielsweise bei Musikförderung auf das Unterthema kostenloser Gitarrenunterricht für arme Kinder oder beim Oberthema Verkehrswende könnte ein Unterthema die sichere Radroutenführung durch die Stadt sein. Oder man möchte was für die Gesundheit der Menschen tun in einem bestimmten Land, das man schon mal bereist hat, und weil man selbst dank Hörgerät endlich wieder an Gesprächen teilnehmen kann, schaut man sich die dortige Versorgung mit Hörhilfen mal genauer an. Oder man wählt mehrere Organisationen, die ein Thema bearbeiten, die fördert man und lernt sie so kennen, und dann bleibt man bei der Organisation, die einem am besten gefällt.

Will man wissen, welche Organisation zu einem bestimmten Thema arbeitet, könnte man in der Suchmaschine über bestimmte Wörter suchen, beispielsweise: Spenden – Demokratie – gegen rechts. Oder: Spenden – Mädchen – studieren. Erstaunlich, wie weit man auf diese Weise kommt.

Man kann aber auch nachfragen bei den großen Organisationen oder auf ihren Websites nach passenden Projekten suchen, etwa bei der Welthungerhilfe, Plan International, CBM, Oxfam, Brot für die Welt ... Und man kann auf der Seite des DZI-Spenden-Siegels über die Suchfunktion zum Beispiel nach bestimmten Ländern oder Zielgruppen suchen. Oder man lässt sich von der Vielzahl von Einzelprojekten inspirieren, die Phineo empfiehlt (Phineo ist eine gemeinnützige Aktiengesellschaft, die sich als Analyse- und Beratungshaus für strategisches gesellschaftliches Engagement betätigt).

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Einfacher mit Gemeinschaftsstiftung?

Manche Menschen schließen sich Gemeinschaftsstiftungen an, da bestimmt man gemeinsam die Spendenziele innerhalb eines thematischen Rahmens. Etwa bei der Frauenstiftung Filia, die sich für Mädchen und Frauen weltweit engagiert. Oder man schließt sich der Bewegungsstiftung an, die soziale Bewegungen fördert. Volles Stimmrecht hat man dort ab 5000 Euro Zustiftung. Aktuell fördert die Stiftung zum Beispiel ein Netzwerk gegen Femizide und ein internationales Netzwerk gegen Flugverkehr namens "Stay grounded". Man kann sich auch mal auf den Seiten von Phineo, der Beratungsfirma, die Spendenvorschläge anschauen.

Besser eine große oder eine kleine Organisation?

Es sprächen zwei Punkte dafür, sich für große Spendenorganisationen zu entscheiden, meint Fundraising-Berater Kai Fischer: Die hätten in der Regel externe Wirtschaftsprüfer, die sich die Bilanzen anschauen; und sie hätten meist fachlich gute Leute. Regionale und kleine Organisationen dagegen seien einfacher zugänglich, oft stärker wertgetrieben und, wie Fischer es ausdrückt: Leute, die brennen.

"Am Ende müssen Sie vertrauen. Aber die allermeisten Organisationen, die ich kennengelernt habe, und es waren viele, waren hochgradig engagiert."

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