Aktion des Zentrum für Politische Schönheit zum Verbot der AFD
Die Aktivisten des Zentrums für Politische Schönheit engagieren sich für ein Verbot der AfD und zeigten die Mitglieder der AfD digital hinter Gittern - hier Björn Höcke und Stephan Ernst
David Baltzer/Zenit/laif
AfD-Verbot
Wann, wenn nicht jetzt?
Der Verdacht ist begründet: Teile der AfD sind rechtsextrem und damit verfassungsfeindlich. Genau diese Teile der Partei sollten verboten werden. Und Björn Höcke könnten Grundrechte entzogen werden. Ein Kommentar
Tim Wegner
05.01.2024
5Min

Es hat lange gedauert, doch endlich wird breiter diskutiert, ob und, wenn ja, wie die AfD verboten werden kann. Saskia Esken, Co-Parteichefin der SPD, zum Beispiel plädiert für ein Verbot - und bekommt viel Gegenwind, etwa von ihrem Parteikollegen Carsten Schneider, Ostbeauftragter der Bundesregierung: Die Partei sei viel zu beliebt. Ein Verbot würde sie in ihrer Opferrolle bestärken und zu einer Solidarisierungswelle führen, auch bei Menschen, die bisher nicht die AfD gewählt hätten: "Die Kollateralschäden wären sehr hoch."

Ich kenne dieses Gegenargument, und ich finde es falsch. Die AfD will unsere Demokratie von innen heraus aushöhlen. Wäre der Thüringer Parteivorsitzende Björn Höcke Ministerpräsident würde er nach eigenen Worten den Verfassungsschutz und den öffentlich-rechtlichen Rundfunk umkrempeln. Auch in Polen und Ungarn haben die autoritären Rechtspopulisten als erstes damit begonnen, den staatlichen Rundfunk und damit die Meinungsfreiheit zu beschneiden und die staatlichen Kontrollorgane wie Justiz und Geheimdienst umzubauen. Das ist Machtmissbrauch, und er basiert auf einer faschistischen Ideologie.

Doch viel zu vielen Menschen ist das nicht bewusst. Ich kenne auch einige, die die AfD gewählt haben - nicht, weil sie rechtsextrem denken, sondern aus Frustration über die aktuelle Politik. Sie fühlen sich nicht mehr repräsentiert von den anderen Parteien. Doch Frust sollte kein Grund sein, sich von antidemokratischen Populisten verführen zu lassen. Nicht in diesem Land, das genau das schon einmal erlebt hat. Wie heute hörten auch damals leider viele Wähler*innen nicht genau hin, als die Populisten erklärten, was sie vorhaben. Hier einige Beispiele:

1928 zog die NSDAP mit 2,6 Prozent der Stimmen in den Reichstag ein. Joseph Goebbels schrieb in der NSDAP-Propagandazeitung Völkischer Beobachter: "Wir kommen als Feinde! Wie der Wolf in die Schafherde einbricht, so kommen wir. Jetzt seid ihr nicht mehr unter euch! Und so werdet ihr keine reine Freude an uns haben!" Bei den Reichstagswahlen 1930 lag die NSDAP bei 18,3 Prozent; 1932 bei 37,4 Prozent. Es ging auf, was Goebbels im Völkischen Beobachter angekündigt hatte: "Wir gehen in den Reichstag hinein, um uns aus dem Waffenarsenal der Demokratie mit deren eigenen Waffen zu versorgen."

2018 äußerte sich Björn Höcke am Kyffhäuser vor seinen Anhängern so: "Heute, liebe Freunde, lautet die Frage nicht mehr Hammer oder Amboss, heute lautet die Frage Schaf oder Wolf. Und ich, liebe Freunde, meine hier, wir entscheiden uns in dieser Frage: Wolf." Die AfD lag 2018 bundesweit bei etwa 10 Prozent. Im Sommer 2023 hatte sich diese Zahl schon mehr als verdoppelt, mittlerweile liegt die Partei in einigen ostdeutschen Bundesländern bei über 30 Prozent.

"Diese EU muss sterben, damit das wahre Europa leben kann", sagte Höcke in einem Fernsehinterview bei Phoenix im Juli letzten Jahres. Wieder nutzte der ehemalige Oberstudienrat der Geschichte Wortbilder aus der Nazizeit. Nach der Niederlage bei Stalingrad titelte der Völkische Beobachter: "Sie starben, damit Deutschland lebe".

Für Maximilian Krah, den AfD-Spitzenkandidat für die Europawahl, ist die Zerstörung der CDU eines der wichtigsten Ziele seiner Partei. "Die politische Rechte kommt nur dann zum Erfolg, wenn die Christdemokraten verschwinden", sagte er in einem Interview mit dem ARD-Magazin Panorama.

Der Jurist Ulf Buermeyer erläuterte in seinem Podcast neulich den "Stochastischen Terrorismus". Es sei eine Art "dog whistling": Man ruft Hunde mit einer Pfeife heran, die nur diese Tiere hören könnten. Mit ihren historischen Anspielungen würden Höcke und Co sehr genau auf die Rechtsradikalen unter ihren Sympathisanten abzielen. Die würden dann verstehen, was gemeint sei. Und dann reiche ein einzelner zum "Zuschlagen". Der hessische CDU-Politiker Walter Lübcke wurde von einem Mann mit rechtsradikalen Motiven ermordet.

Es reicht aber offensichtlich nicht mehr, die Wähler über die Ziele der AfD aufzuklären, deutlich zu machen, mit welchen kommunikativen und psychologischen Strategien ihre führenden Vertreter*innen arbeiten und welche Folgen es haben kann, wenn sie eine Partei mit rassistischem, ausgrenzendem Weltbild und rückwärtsgewandtem Frauenbild wählen. Diese Folgen wollen oder können viele ihrer Wähler*innen nicht mehr abschätzen und glauben, dass die AfD ihnen Lösungen für ihre Probleme anbietet. Das tut sie nicht. Denn in einer zerstörten Demokratie werden wir alle leiden. Auch die Menschen, die die AfD gewählt haben. Und deshalb braucht es jetzt weitere, härtere Schritte.

In einer zerstörten Demokratie leiden alle

Das Verbot einer Partei (Art. 21 GG, s. u.) gehört zu den schärfsten Maßnahmen des Grundgesetzes und sollte nur in Gang gesetzt werden, wenn wirkliche Gefahr für das Land droht. Das war die Lehre aus der Weimarer Republik, als Parteien wie einfache Vereine ruckzuck verboten werden konnten, nur um Opposition zu verhindern. Deshalb finde ich es richtig, dass heute nur die höchste Politik, nämlich die Bundesregierung, der Bundesrat oder der Bundestag, ein Parteienverbot anstoßen kann. Es geht nicht darum, unliebsame Ideen oder Meinungen zu verbieten, es geht um den Schutz unserer Demokratie vor ihren Feinden. Wie lange wollen die Verantwortlichen noch warten? Wenn die AfD auf den Regierungsbänken sitzt, ist es zu spät. Das ist die bittere Lehre aus der Weimarer Zeit.

Björn Höcke die Grundrechte entziehen

Es muss ja nicht gleich ein bundesweites Parteiverbot sein. Die ehemalige Verfassungsrichterin Gertrude Lübbe-Wolff beispielsweise empfiehlt in einem Podcast der "Zeit" kleine, eher "chirurgische" Maßnahmen, wie den Entzug der Grundrechte einzelner Personen. Das ist noch nie in diesem Land mit einem Menschen geschehen, doch Lübbe-Wolff sagt: Genau dafür hätten die Väter und Mütter des Grundgesetzes den Artikel 18 GG (s. u.) geschaffen. Björn Höcke könne das Recht auf Wählbarkeit oder Parteifunktionalität entzogen werden, wenn er sich verfassungsfeindlich verhält. "Eine gezielte Maßnahme, um unsere Demokratie zu schützen", sagt Lübbe-Wolff.

Noch eine Möglichkeit: Ein Verbot einzelner Landesverbände der AfD prüfen. Der Verfassungsschutz stuft mittlerweile drei von ihnen (Sachsen-Anhalt, Thüringen, Sachsen) als "gesichert rechtsradikal" ein.

Wichtig ist, dass wir nicht weiter zuschauen, wie Teile dieser Partei unsere Demokratie unterwandern. Wird es schwierig, die Partei zu verbieten? Vermutlich. Könnten alle Verbotsverfahren scheitern? Möglich. Doch wie sagt es der Verfassungsjurist Christoph Möllers in einem Interview: Nichts zu tun aus Angst vor dem Scheitern, "das wäre doch ein seltsamer Schluss von der Hilf- auf die Tatenlosigkeit".

Hör- und Sehtipps: Ausführlich nachhören können sie viele Argumente zu diesem Thema hier: Folge 361 vom Podcast "Lage der Nation"; Gertrud Lübbe-Wolff ist zu Gast im Politikteil der "Zeit"; Christoph Möllers erläutert seine Gedanken ausführlich bei Carolin Emcke von der "Süddeutschen Zeitung". Umstritten, aber interessant sind die Aktionen des Zentrums für Politische Schönheit: Auf der interaktiven Website können Sie verfassungsfeindliche Tendenzen der AfD melden.

Infobox

Artikel 21 Absatz 2 Grundgesetz: Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind verfassungswidrig.

Artikel 18 GG: Wer die Freiheit der Meinungsäußerung, insbesondere die Pressefreiheit (Artikel 5 Absatz 1), die Lehrfreiheit (Artikel 5 Absatz 3), die Versammlungsfreiheit (Artikel 8), die Vereinigungsfreiheit (Artikel 9), das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis (Artikel 10), das Eigentum (Artikel 14) oder das Asylrecht (Artikel 16a) zum Kampfe gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung missbraucht, verwirkt diese Grundrechte. Die Verwirkung und ihr Ausmaß werden durch das Bundesverfassungsgericht ausgesprochen.

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Man kann keine Partei verbieten, die vorher demokratisch gewählt wurde. Man muss sie ja auch nicht wählen, wenn sie einem nicht gefällt.
Was mir gefällt, muss auch nicht anderen gefallen, das fällt wieder auf die Basis der Toleranz. Toleranz ja, aber nicht gegenüber Intoleranten. Wilhelm Busch

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Jeder muss einmal sterben, aber die Dummheit stirbt nicht.
Was sagt schon eine Mitgliedschaft in einer Partei aus, nur das sie mit den Wölfen heulen? Ich bin ein Atheist, bin ich deshalb auch gleich ein Verfassungsfeind? Die Würde des Menschen ist unantastbar und eine freie Meinung zu haben gehört in einer Demokratie dazu, die Wahrheit inbegriffen! Basta!

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Das Verbot ist dem Verfassungsschutz zu überlassen, und nur Teile einer Partei zu verbieten, ist unvollständig und lädt zu jeder Manipulation ein. Aber man sollte auch nicht als Wertewächter das Wasser (KIST) einer Quelle trinken, wenn man sie verteufelt. Die Abhängigkeit von Quellen akzeptieren, deren "Wasser" vergiftet ist. An jedem Produkt und Geld "kleben" auch die Werte und Bedingungen, die zu Herstellung und Gewinn dienten. Ob Schwarzgeld oder Blutdiamanten, ob Coltan oder Zahngold, ob Gewinn von Sklaven- oder Kinderarbeit, das Ergebnis der Arbeit ist anrüchig. Wer sich von seinen Feinden bezahlen läßt ist unaufrichtig. Geld kann man nicht durch schöne Worte und hohe Ansprüche reinwaschen. Jedes Wortgeschwurbel ist deshalb fadenscheinig.

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Na ja, dann ist ja Wolfgang ein Widersacher von Fr. Kässmann bzw. der früheren EKD, die sich m. W. noch nie von der
Forderung der "Toleranz der Intoleranz" distanziert hat. Diese, auch auf Kirchentagen als absoluter Pazifismus frenetisch gefeierte Forderung, läuft letztlich darauf hinaus, dass man aus Prinzip jedem Angriff keinen Widerstand bieten würde. Will mich jemand berauben oder gar töten, soll er das tun. Hauptsache ich sterbe reinen Herzens. Das ist nicht nur das Gute in Reinkultur, sondern auch eine maßlose Überhöhung der eigenen Bedeutung. Noch böser, wer seinen Tod zuläßt, obwohl er sich wehren könnte, begeht einen indirekten Suizid. Insgesamt eine eigenartige Auslegung von Frieden.

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Aufruf die AFD nicht zu wählen, weil die christlichen Werte mit der Partei unvereinbar sind. Mitglieder auf keinen Fall. Gut. Eine Spende von der AFD wird zurücküberwiesen. Die KIST von Mitgliedern auch? WEnn nicht, warum?

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Warum keine Exkommunikation und kein Ausschluß, wenn man doch die eigenen Reihen sauber halten möchte?