Licht im Christentum
Warum zünden Christen Kerzen an?
Sie brennen nichts nieder. Und sie leuchten das Dunkel aus. Beliebt sind sie zu Weihnachten, Ostern und auf Demonstrationen. Warum sind Kerzen so symbolträchtig?
Brennende Kerzen auf violettem Hintergrund in einer Reihe aufgestellt
Warum zünden Christen Kerzen an? Die Symbolik hinter dem Ritus
Lisa Rienermann
Portrait Burkhard Weitz, verantwortlicher Redakteur für chrismon plusLena Uphoff
Aktualisiert am 07.12.2024
3Min

Unter den vielen Menschen, die am 9. Oktober 1989 um den Leipziger Innenstadtring ziehen, sieht man auf den ­Videos im Internet einzelne mit Kerzen in der Hand. Hin und wieder zoomt die Kamera näher heran, und man erkennt, wie manche ihre Hände schützend vor die Flamme halten. ­Offenbar kommen sie gerade aus einer der vier Innenstadtkirchen, die am Abend von fünf bis sechs Uhr zu Friedensgebeten eingeladen haben. Warum sie ausgerechnet mit Kerzen durch die Stadt ziehen, die von jedem Lüftchen ausgepustet werden können?

Man stelle sich nur einmal die Leipziger Montagsdemonstration an diesem Tag als Fackelumzug vor. Fackeln haben etwas Unheimliches. In ihrem Flackerschein lassen Fastnachtsvereine Hexen tanzen. Eindrucksvoll sind sie auch: Schützenvereine ziehen mit ihnen durchs Dorf. Vor allem aber wirken sie martialisch. Einst ehrten Studentenverbindungen emeritierte Professoren mit solch machtvollen Inszenierungen. Und in den 1930er Jahren – wie auch heute – demonstrieren Nazis vorzugsweise mit Fackelumzügen, wenn sie beanspruchen, Straßenzüge und Städte zu beherrschen. Auf Parteigänger wirken solche Inszenierungen weihevoll. Andersdenkenden sollen sie Angst einflößen.

Lesen Sie hier: Demonstrieren für Anfänger - was Sie wissen müssen

Wie gut, dass die Leipziger genau das nicht wollten: machtvoll und überwältigend auftreten. Einen Fackel­umzug hätte damals die Staatsmacht als Provokation verstehen können. Fackeln knistern und flackern, Kerzen leuchten still. Der Docht domestiziert das Feuer. Auf ihm verdampft das geschmolzene Wachs und brennt gemächlich ab, lang und stet. Die Kerzenflamme ist hell, aber fragil. Kerzen taugen nicht als Brandbeschleuniger.

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Seit Februar 2015 illustriert Lisa Rienermann die chrismon-Rubrik "Religion für Einsteiger". Im Video zeigt sie, wie das Bild für diesen Artikel aus der November-Ausgabe 2019 etnstanden ist.

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Zur Eingangsfrage "Warum Christen ausgerechnet mit Kerzen durch die Stadt ziehen, die von jedem Lüftchen ausgepustet werden können?" möchte ich Ihnen einige ergänzende Anmerkungen aus der Sicht eines Zeitzeugen der Ereignisse um die Friedensgebete und die Montagsdemonstrationen in Leipzig und an anderen Orten der ehemaligen DDR mitteilen.
Die brennenden Kerzen hatten in diesem Zusammenhang über ihre Symbolik als Friedenszeichen eine weit darüber hinaus gehende Bedeutung und einen tieferen Sinn, weshalb sie zum äußeren Zeichen der Friedensbewegung geworden sind.
"Keine Gewalt" war die These der Friedensbewegung, worauf die Teilnehmer der Demonstrationen vorbereitet wurden und was mit dem Tragen der Kerzen umgesetzt werden sollte, denn die Träger der Kerzen müssen sich behutsam und besonnen bewegen, damit die Flamme nicht erlischt oder sie die Nachbarn gefährdet. Die Kerze wird in einer Hand getragen, die zweite Hand beschützt die Flamme - kein Platz für eine Faust! Der Träger der Kerze ist voll konzentriert und zur Passivität gezwungen. Aggressive Gedanken und Handlungen treten zurück. Eine Kerze ist schwach, empfindlich und leicht zu übersehen. Viele Kerzen sind ein leuchtendes Feld, das von Menschenhänden bewegt wird und die Aufmerksamkeit auf sich zieht.
Dieses friedliche Erscheinungsbild einer großen Menschengruppe und ihr passives, meist noch schweigendes Verhalten waren eine hohe moralische Herausforderung für die Träger der bewaffneten Staatmacht, die doch eigentlich aus Freunden, Nachbarn, Kollegen und Mitbürgern besteht, denen gegenüber keine Gewalt ausgeübt, ihnen aber auch kein Anlass dazu geboten werden sollte.
Letztlich war das wohl der tiefere Grund dafür, warum die Staatsmacht vor den Augen der Welt es nicht wagte, zum Äußersten zu greifen, und die Wiedervereinigung friedlich erreicht werden konnte.
Dr. Volker Höhne

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Sehr geehrter Herr Weitz, Sie haben in Ihrem Artikel Warum zünden Christen Kerzen an? viel Richtiges und sehr freundlich gesagt. Allerdings scheint mir ein Argument nicht zutreffend, nämlich dass Gottesdienstkerzen ausschließlich aus Bienenwachs bestünden. Das mag früher so gewesen sein, aber seit Ende des 19 Jh das Palmöl nach Europa kam, wurden daraus auch Kerzen gemacht, bzw. Kerzen bestehen seit mehr als 100 Jahren überwiegend aus Palmöl und haben so auch die Kirchen erobert. Warum sind auch die Kirchenkerzen seit 50 Jahren immer dicker und größer geworden? Weil es mehr Bienen gab? Nein weil die Palmölimporte mehr und billiger wurden. - Nicht zuletzt ich meine eine Imitation des Siebenarmigen Leuchters vom Tempel spielte auch eine Rolle. - Doch leider wird das zarte Kerzenlicht in unseren Kirchen durch permanente elektrische Beleuchtung - sogar während der Predigt - ihres Effekts beraubt. Gottesdienste nur bei Kerzenschein und mit leisen Instrumenten sind und bleiben besonders eindrücklich, nicht nur an Weihnachten. Gut dass Sie daran erinnert haben.
Mit freundlichen Grüßen Helmut Staudt, Pfr. i.R.

Sehr geehrter Herr Pfr. i.R. Helmut Staudt,

keine Sorge, bei der theologischen Fachdiskussion mit Herrn Weitz, wie man Weihnachten möglichst stimmungsvoll inszeniert, möchte ich nicht stören. Bei Ihrer Behauptung "Kerzen bestehen seit mehr als 100 Jahren überwiegend aus Palmöl" handelt es sich allerdings um einen Irrtum. Am meisten wird Hartparaffin, ein Erdölprodukt, verwendet, an zweiter Stelle kommt dann Stearin, das in der Tat im Regelfall aus Palmöl und Kokosfett hergestellt wird. Bienenwachs ist eher selten.

Näheres dazu unter https://www.br.de/radio/bayern1/inhalt/experten-tipps/umweltkommissar/kerze-wachs-palmoel-stearin-russ-umweltkommissar-100.html
oder https://www.ndr.de/ratgeber/verbraucher/Woraus-bestehen-Kerzen,kerzen228.html

Fritz Kurz