Die Debatte über die Rückkehr eines Wehr- oder Pflichtdienstes ist so virulent wie noch nie. Freiwillig, per Los oder verpflichtend – an politischen Ideen und Vorschlägen mangelt es nicht. Sollte bei dieser Frage wirklich immer nur von Männern die Rede sein? Eigentlich handelt es sich dabei doch um eine Rollenverteilung des vergangenen Jahrhunderts, oder?
Ich finde: Wenn wir Gleichstellung in allen Lebensbereichen wirklich ernst nehmen – bei der Verteilung von Care-Arbeit, beim Lohn oder in Führungspositionen –, dann sollten wir auch in diesem Punkt konsequent sein. Wenn Pflichtdienst – egal in welcher Form –, dann bitte für Männer und Frauen.
Ab Januar 2026 sollen Männer und Frauen in Deutschland einen Fragebogen zum Wehrdienst ausfüllen und zurückschicken – für Männer ist das Pflicht, für Frauen hingegen nicht. Ist das fair? Immerhin sind alle Menschen vor dem Gesetz gleich, so steht es im Grundgesetz. Dort ist auch die Wehrpflicht verankert – allerdings nur für Männer. Folglich ist auch im Wehrdienstpflichtgesetz ausschließlich von Männern die Rede. Und Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) äußerte noch im September, dies an eine zeitgemäße Auffassung von Gleichberechtigung anzupassen, sei für ihn "sicher erst der dritte, vierte Schritt".
Oft wird eingewendet, dass Frauen und andere, die sich als weiblich identifizieren, es in der Bundeswehr immer noch schwer hätten: zu wenig weibliche Vorgesetzte, schlechte Bedingungen für Soldatinnen, zahlreiche Übergriffe – das haben auch die Berichte der ehemaligen Wehrbeauftragten Eva Högl (SPD) immer wieder gezeigt.
Aber wollen wir deshalb wirklich an einem überholten, sehr traditionellen Rollenbild der Bundeswehr festhalten? Mehr Geschlechtervielfalt in der Truppe und vor allem in deren Führung wäre ohnehin überfällig. Kämen mehr Frauen, mehr Vielfalt und mehr Perspektiven in die Streitkräfte, könnte das langfristig die Dinge zum Positiven verändern – hin zu einem respektvolleren, menschlicheren Miteinander.
Gleichwohl bleibt die alte Frage bestehen: Was kommt zuerst – Struktur oder Ausgangsbasis? Lohnen sich Reformen für Frauen in der Bundeswehr nicht, weil es zu wenige gibt? Oder gibt es zu wenige, weil die passenden Strukturen fehlen? Dann wäre die Antwort klar: Wir müssen an die Wurzel.
Ein Blick ins Ausland zeigt, dass es auch anders geht. In Schweden ist die Wehrpflicht für beide Geschlechter seit 2018 Realität, in Norwegen schon seit 2015. Dänemark plant ab 2026 ebenfalls, Frauen zum Wehrdienst einzuberufen, und hat dafür ein entsprechendes Gesetz auf den Weg gebracht. Und schon seit der Gründung des Staates Israel 1949 besteht dort eine allgemeine Wehrpflicht für Frauen.
Zur Konsequenz dieser Überlegungen gehört auch: Ich persönlich könnte mir tatsächlich vorstellen, die neun bis elf Monate dauernde Grundausbildung in der Bundeswehr zu absolvieren. Aber ich habe auch eine 15-jährige Schwester, und der Gedanke, dass sie nach der Schule in Tarnkleidung in eine Kaserne fährt, im Schlamm robbt und sich gegenüber männlichen Kameraden behaupten muss, macht mir ein mulmiges Gefühl. So ist das mit politischen Idealen – manchmal sind sie unbequem. Aufgeben sollte man sie deswegen nicht.



