Taylor Swift
Wo bleibt der Protest?
Taylor Swifts neues Album ist nett. Aber es fehlt etwas: Protestsongs gegen die teilweise autoritären Zustände in den USA. Nicht nur von Swift, sondern von jungen Künstlerinnen und Künstlern insgesamt. Ein Kommentar
Taylor Swift im Dezember 2024 während einem Konzert in Vancouver auf der Bühne
Darryl Dyck/ZUMAPRES/picture alliance
Tim Wegner
13.10.2025
4Min

Im September vergangenen Jahres äußerte sich die Sängerin Taylor Swift noch hochpolitisch. Sie postete auf Instagram ein Foto von sich mit einer flauschigen Katze im Arm und bekannte sich kurz zur demokratischen Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris: "Ich stimme für @kamalaharris, weil sie für die Rechte und Anliegen kämpft, für die meiner Meinung nach eine Kämpferin erforderlich ist." Wie zu erwarten, beleidigte der damalige Präsidentschaftskandidat Donald Trump die Sängerin daraufhin in den sozialen Medien.

Donald Trump ist Präsident und dabei, die USA in einen autoritären Staat zu verwandeln. Er und andere Regierungsmitglieder tun alles, um die Meinungsfreiheit einzuschränken, sie setzen unabhängige Verfassungsrichter unter Druck, hetzen gegen Minderheiten und alle, die sich nicht anpassen wollen, Menschen mit Migrationshintergrund werden von der Straße weg verhaftet und abgeschoben, die Entwicklungshilfe wurde so gut wie abgeschafft. Und Taylor Swift? Hat mit The Life of a Showgirl ein politisch nichtssagendes Album rausgebracht.

Ist von ihrem Alter Ego als politische "kinderlose Katzenlady" nicht mehr viel übrig? Swift singt auf ihrem neuen Album über ihre glückliche Beziehung, über ihren Verlobten, und sie disst die Sängerin Charli XCX. Politische Botschaften gegen die MAGA-Bewegung gibt es nicht. Kritiker unterstellen Swift sogar, dass sie inzwischen selbst zur MAGA-Anhängerin geworden sei.

Ob sich neben Swifts Beziehungsstatus auch ihre politische Einstellung radikal geändert hat? Klar ist: Da das Album jetzt raus ist, ist so schnell nicht mit einem neuen zu rechnen.

Taylor Swift wurde vor der Präsidentschaftswahl nachgesagt, dass sie mit ihrer riesigen Fangemeinde sogar den Ausgang der Wahl beeinflussen könnte. Aber warum nutzt sie ihren Einfluss jetzt nicht – während die Trump-Regierung immer radikaler vorgeht? Und wenn nicht sie, wer dann? Auch von anderen jungen US-Künstlerinnen und -Künstlern, die in den sozialen Netzwerken riesige Fangemeinden und damit bedeutenden Einfluss haben, ist bislang keine Protestmusik zu hören.

Der einzige nennenswerte prominente Protestsong seit Trumps zweitem Amtsantritt stammt von einem fast 80-Jährigen: Der kanadische Sänger Neil Young forderte Ende August im Song Big Crime auf, "die Faschisten aus dem Weißen Haus zu holen". Der Song erhielt jedoch nur wenig Aufmerksamkeit. Vielleicht, weil man von Neil Young schon gewöhnt ist, dass er sich politisch äußert.

Früher gehörten Protestsongs zum guten Ton

Wie anders war das damals, im Jahr 2000, als George W. Bush zum US-Präsidenten gewählt wurde und es quasi noch zum guten Ton in der Popmusik gehörte, kritische Distanz zur Politik durch einen Song auszudrücken. Unter den protestierenden Künstlerinnen war der auch damals nicht mehr ganz junge Sänger Bruce Springsteen, der sich mit Born in the U.S.A. schon 1984 gegen die Reagan-Regierung aufgelehnt hatte. Auch Pink machte mit, die in ihren 20ern mit Dear Mr. President (2006) einen der großen Hits unter den Protestsongs landete. Rapper Eminem war gerade um die 30, als er gleich mehrere Songs veröffentlichte, die sich direkt an und gegen Präsident Bush richteten.

Auch während Trumps erster Amtszeit sangen einige junge Künstlerinnen und Künstler gegen ihn an. Demi Lovato, der 153 Millionen Menschen auf Instagram folgen, brachte 2020 etwa den Song Commander in Chief heraus. Taylor Swift drückte in You Need To Calm Down ihre Unterstützung für die LGBTQ-Bewegung aus, die von den Republikanern immer wieder scharf angegriffen wurde. In Only the Young (2020), in dem es auch um Amokläufe an Schulen geht, ging sie damals Trumps Politik direkt an: "And the big bad man and his big bad clan, their hands are stained with red", heißt es in dem Song. (Und der große böse Mann und sein großer böser Clan, ihre Hände sind rot befleckt.) Die Ironie: In dem Song singt Swift sogar, dass nur die Jungen die Zustände ändern könnten. Dass sie es sind, die kämpfen müssen.

Mit Bruce Springsteen, Neil Young und Jane Fonda steht nun wieder die kampferprobte alte Generation auf. Jane Fonda, 87, belebte kürzlich das "Committee for the First Amendment" der McCarthy-Ära neu, um auf die Einschränkungen der Meinungsfreiheit in den USA aufmerksam zu machen. Über 550 Prominente schlossen sich dem Aufruf an, unter ihnen immerhin auch einige junge Stars. So etwa die 23-jährige Billie Eilish, die auf Instagram 124 Millionen Follower hat. Aber auch sie hat ihren Protest gegen die Trump-Regierung bisher nicht in einem Song ausgedrückt.

Dabei kann Musik so viel besser als ein Social-Media-Post oder eine Unterschrift unter einem offenen Brief Gefühle vermitteln und ansprechen. Wenn viele denselben Song hören und singen, formt sich eine Gruppe und es entsteht Zugehörigkeit. Protestsongs können zu friedlichem Widerstand mobilisieren und sind auch für jene, denen es bereits die Sprache verschlagen hat, ein Weg, sich auszudrücken. Bleibt zu hoffen, dass die Musikerinnen und Musiker ihre Sprache bald wiederfinden.

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