chrismon: Sie kennen Ihre Sylt Sisters seit einer gemeinsamen Reha. Was macht ihre Freundschaft zu diesen vier Frauen so besonders?
Simone Heintze: Wenn man sich in einer Klinik kennenlernt, entwickelt man schnell ein feines Gespür für die Bedürfnisse und Grenzen des anderen. Als kranker Mensch hat man immer Angst, eine Belastung für andere zu sein. Menschen, die selbst schwere Schicksale haben, kennen dieses Gefühl. Wenn ich beim Wandern beispielsweise eine Pause brauche oder den nächsten Berg nicht schaffe, weiß ich: Die anderen verstehen das und verzichten nicht nur aus Liebe zu mir.
Was ist im Vergleich zu anderen Freundschaften anders?
Wir können viel direkter über Dinge reden. Manchmal spüren wir auch einfach nur, wie es dem anderen geht – ohne viel zu sprechen. Meine Mädels spüren, wenn mich die Angst vor der nächsten Untersuchung beschäftigt. Oder wenn es mich innerlich durcheinanderbringt, dass nichts gefunden wurde, obwohl ich mich schon auf das Schlimmste eingestellt hatte. Wir fühlen uns auch über Distanzen miteinander verbunden, besonders in schweren Zeiten. Erst im vergangenen Jahr ist ein gemeinsamer Freund an Lungenkrebs gestorben. Das war für uns alle total schlimm. Wir haben uns in unserem Schmerz getragen und waren füreinander da. Dann schöpfen wir, wenn wir es brauchen, aus dem Vollen mit Whatsapp, telefonieren, halten per E-Mail Kontakt und auch mit persönlichen Besuchen, einzeln untereinander oder auch alle zusammen, wie es zeitlich möglich ist. Manchmal sind auch Briefe oder Postkarten die Überbringer unserer Freundschaft. Sterben gehört bei uns einfach mit dazu.
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Simone Heintze (1974 geboren) lebt heute im Ruhrgebiet, direkt um die Ecke ihrer Klinik – "falls mal wieder etwas sein sollte". Gebürtig stammt sie aus der Nähe von Stuttgart, wo ihre Mutter und ihre drei Brüder heute noch leben. Ihre Kinder (heute 23, 25 und 27) wohnen rund zwanzig Autominuten von ihr entfernt. Beruflich ist sie gelernte Bankkauffrau, heute aufgrund ihrer Erkrankung allerdings Frührentnerin. Heintze engagiert sich als ehrenamtliche Rentenberaterin und in ihrer Kirchengemeinde. Die gebürtige Schwäbin hat ihre Krankheitserfahrungen in mehreren Büchern verarbeitet, darunter Aufgeben? Niemals! Meine Heilungsgeschichte, Teil eins und zwei (2015 & 2016) und Wäre schön blöd, nicht an Wunder zu glauben (2020).