Seit ein paar Wochen sind sich Ivy Indon, Eldrix Torres und John Lacorte sicher, dass sie die richtige Entscheidung getroffen haben. Denn es gibt sie wirklich: warme Sonnentage in Ostwestfalen. Als sie und 25 andere Auszubildende Ende September 2024 nach 15 Stunden Flug in Deutschland gelandet waren, haben sie sich oft gefragt, ob es hier eigentlich mal richtig hell wird. Ob es mal warm genug sein wird, um ohne dicke Winterjacke und Stiefel herumzulaufen.
Sie wären auch geblieben, wenn es dauerhaft grau und kalt in Deutschland wäre, nur so passt es noch viel besser für sie. 23 Frauen und fünf Männer von den Philippinen, zwischen 19 und 37 Jahre alt. Alle bringen eine Ausbildung, Studium oder einen Bachelor-Abschluss in einem medizinischen Beruf mit. In ihrer Heimat hatten sie trotz Ausbildung kaum Aussichten auf eine feste Anstellung mit gutem Gehalt. Darum suchen viele junge Filipinos ihr Glück im Ausland. "Deutschland ist die Chance für mich, mir eine Existenz aufzubauen", erzählt Ivy, 27 Jahre alt und diplomierte Hebamme. "Früher habe ich Kinder zur Welt gebracht, heute helfe ich Menschen in ihrem letzten Lebensabschnitt."
Ihre Pfleglinge im Eduard-Kuhlo-Heim in Löhne und Stift Eidingsen in Bad Oeynhausen sind zwischen 77 und 104 Jahre alt, mehr Frauen als Männer, in der Regel mit Pflegestufe drei. Sie brauchen Hilfe beim Anziehen und Waschen, manche auch beim Essen. Es gibt zwei Wohngruppen mit Demenzkranken. Die meisten sind mit Rollator oder Rollstuhl in den hellen, gemütlichen Häusern unterwegs. Ivy und die anderen wurden schon zu Hause darauf vorbereitet, dass in Deutschland weniger Medizin als Pflege von ihnen erwartet wird. Auf den Philippinen gibt es keine vergleichbaren Altenheime, Pflege und Versorgung übernehmen dort die Familien. "Bei uns leben die alten Menschen mit den jungen zusammen, alle unter einem Dach. Es ist immer jemand da, der sich um sie kümmern kann", sagt John.
In Deutschland fehlen Hunderttausende Pflegekräfte
"Das sind ganz patente Leutchen", lobt Liesbeth Ruth Brüggemann, 93, die früher mal eine Gaststätte betrieb und immer noch einen Blick dafür hat, wer gut zupacken kann. Die Auszubildenden seien so flott im Bettenmachen, ruck, zuck ist alles fertig – und sie sind immer freundlich dabei. "So was Liebes", schwärmt Anna Ganzek, 77, "sie sind immer sofort da, wenn ich sie brauche, und nehmen mich auch mal in den Arm." Alle loben, wie gut die Neuen Deutsch sprechen. Das haben sie noch zu Hause gelernt. Bei der Ankunft bekamen sie noch einen kleinen Sprachführer, der bislang ungewohnte Begriffe für sie übersetzt: "Badewannenlift" zum Beispiel. Oder "Hausmeister".
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