Bundestagswahl
80 Prozent sagen Nein zur AfD!
Deutschland wird wohl bald von einer schwarz-roten Koalition regiert, Friedrich Merz wird dann Bundeskanzler. Die Herausforderungen sind enorm – und der Wahlabend hält für alle Parteien wichtige Lehren bereit
Ein Wahlplakat der SPD hängt vor dem Konrad-Adenauer-Haus mit dem Konterfei des CDU-Bundesvorsitzenden Merz. Die Gremien der Bundesparteien kommen nach der Wahl zum 21. Deutschen Bundestag zu Beratungen zusammen
Scholz geht, Merz kommt: Die Union hat die Wahl gewonnen
Michael Kappeler / picture alliance / dpa
Tim Wegner
24.02.2025
3Min

Die gute Nachricht: Mit 82,5 Prozent war die Wahlbeteiligung sehr hoch. Fast alle sind zur Wahl gegangen, weil sie gespürt haben: Es kommt auf mich an. Aber in dieser guten Nachricht steckt auch eine Mahnung. Denn obwohl viele Wählerinnen und Wähler auch ob der Gefahr, die von der AfD für die Demokratie ausgeht, gewählt haben dürften, haben die Rechtsextremen ihr Ergebnis mit 20,8 Prozent innerhalb von nicht einmal vier Jahren verdoppelt. Aber: Fast 80 Prozent sagen Nein zur AfD. Mit Blick auf andere westliche Staaten ist das alles andere als selbstverständlich.

Klar ist: Die neue Regierung darf sich nicht so präsentieren wie die Ampelkoalition, die im Dauerstreit die Orientierung verlor. Alle Koalitionäre – SPD, Grüne und FDP – haben Stimmen eingebüßt, die Liberalen sind sogar aus dem Bundestag geflogen. Dass Christian Lindner geschichtsvergessen mit Planspielen samt Begriffen wie "D-Day" auf das Ende der Ampel hingearbeitet hatte, wollten ihm viele nicht verzeihen. Dass es Bundeskanzler Olaf Scholz nie gelang, dem Drei-Parteien-Projekt Idee und Richtung vorzugeben, bestrafte der Souverän mit 16,4 Prozent. Noch nie hat die einst stolze Sozialdemokratie schlechter abgeschnitten.

Eine "Große Koalition" kann man das, was sich nun in Berlin anbahnt, nicht nennen. Es wird schlicht eine schwarz-rote Koalition sein. Das liegt auch an der Union. CDU und CSU erreichen zusammen nur 28,6 Prozent und bleiben damit deutlich unter der 30-Prozent-Marke. Wieder einmal zeigt sich: Wer nur die Themen der AfD bespielt, wer ihre hasserfüllte Tonlage anzustimmen versucht, schwächt sich und stärkt das Original. Viele haben Friedrich Merz davor gewarnt, fast ausschließlich aufs Thema Migration zu setzen und gemeinsame Beschlüsse mit der AfD zu riskieren - er hat es trotzdem getan und zieht nun geschwächt ins Kanzleramt.

Zu keinem Zeitpunkt wurde das Niveau des fast monothematischen Wahlkampfes den Problemen gerecht, die wir in Deutschland haben. Die Herausforderungen sind riesig. Die Rolle der USA, die Einflussnahme Russlands, Putins Angriff auf die Ukraine, die Klimakrise, eine Transformation der Wirtschaft hin zur Klimaneutralität, obszöne Vermögen auf der einen und Menschen, die nicht wissen, wie sie ihren nächsten Einkauf bezahlen sollen, auf der anderen Seite – diese Aufzählung ließe sich mühelos verlängern. Die Aufgaben anzugehen, wird nur gelingen, wenn sich die politische Kultur verbessert. Wie neues Vertrauen zwischen Union und SPD entsteht, nachdem Vertreter von CDU und CSU unablässig gegen "linksgrün" wetterten, muss sich zeigen.

Für Sozialdemokraten, aber auch für die Grünen hält der 23. Februar die Lehre bereit, dass soziale Themen wichtig sind. Beispiele gibt es viele - Inflation, steigende Mieten, die Zukunft der Renten oder die Last, die pflegende Angehörige schultern: Auf solche Inhalte hatte Die Linke gesetzt - und wurde belohnt. Die SPD hat nun die Chance, diese Erkenntnis sehr bald in konkrete Politik umzusetzen. Mit starrer Schuldenbremse und ohne die Besteuerung hoher Vermögen wird das Geld nicht reichen. Dass eine Milliardärsabgabe auch politisch geboten ist, beweist Tech-Milliardär Elon Musk fast jeden Tag aufs Neue. Noch am Wahltag warb er in seinem eigenen Netzwerk erneut offen für die AfD – ein unfassbar dreister und beispielloser Vorgang.

Was in den USA geschieht, ist eine Erinnerung daran, in welchen Zeiten wir leben. Egal wer die Regierung stellt, es wird weiter auf jede Einzelne und jeden Einzelnen ankommen, für die Demokratie einzutreten.

Die Kommentarfunktion ist nur noch für registrierte Nutzer verfügbar. Um einen Leserkommentar schreiben zu können, schließen Sie bitte ein Abo ab, schreiben Sie uns eine Mail an leserpost@chrismon.de oder diskutieren Sie auf Instagram, Facebook und LinkedIn mit.