Klingt das verdächtig oder verlockend? "Spende Geld, Gott wird es dir hundertfach zurückzahlen." Televangelists, Fernsehprediger, versprechen genau das. Besonders in den USA gibt es viele von ihnen. Kenneth Copeland ist einer, vielleicht ist er der reichste Prediger der USA. Sein Vermögen wird auf 300 bis über 700 Millionen Dollar geschätzt. Die Televangelists predigen, dass ihr Reichtum ein Zeichen ihres Gottesglaubens ist. Zeichen dafür, dass Gott auf ihrer Seite steht. Ihre Botschaft: Die Zuschauer müssten nur selbst fest glauben, um reich zu werden. Aber das ist natürlich ein Trick: Die Zuschauer sollen ihren Glauben beweisen, indem sie an die Kirche des Televangelist spenden. Den so bezeugten Glauben würde Gott den Spendern dann in Geld wieder doppelt und dreifach zurückzahlen – er macht aber im Prinzip nur Herrn Copeland und Co. reich.
Die Masche ist nicht neu, aber als Prosperity Gospel (Wohlstandsevangelium) breitet sie sich weltweit immer weiter aus. Vor allem ärmere Menschen hören darin die Möglichkeit, ihrer materiellen Armut zu entfliehen. Besonders erfolgreich sind die "Wohlstandsprediger" in Brasilien. Edir Macedo steht dort der Igreja Universal do Reino de Deus vor. Er gilt als einer der einflussreichsten Männer Brasiliens. Im Präsidentschaftswahlkampf 2018 hat er maßgeblich zum Wahlsieg des mittlerweile wieder abgewählten Rechtspopulisten Jair Bolsonaro beigetragen. Sein Vermögen wird auf bis zu zwei Milliarden Dollar geschätzt. Seine Hauptkirche in Rio de Janeiro hat sogar einen Hubschrauberlandeplatz.
Ist Spenden also in jedem Fall gut? Nein – wie man an diesen Beispielen sieht. Vorsicht ist geboten, wenn der Aufruf zu spenden mit Druck und Versprechungen für das Heil des Spenders oder der Spenderin verbunden ist. Damit reihen sich die "Wohlstandsprediger" übrigens problemlos in die Kirchengeschichte ein. Sie wollen einen Privatjet und sammeln dafür "Spenden" von ihren Anhängern. Der Papst wollte im 16. Jahrhundert den Petersdom bauen und sammelte dafür Geld mit dem Ablasshandel. Die Christen wurden verpflichtet, "Gute Werke" zu tun. Wer das nicht schaffte, dem drohte die Kirche damals mit der Hölle – es sei denn, es wurde gezahlt.
Martin Luther litt unter dieser päpstlichen Drohung. Es ist sogar die Urszene der Reformation: Luther, der sich quält und an sich selbst verzweifelt, weil er es nicht schafft, ein ganz und gar guter Mensch zu sein – alle notwendigen "Guten Werke" zu tun. Wenn ihr uns Geld gebt, legen wir bei Gott ein gutes Wort für euch ein, und die nicht getanen "Guten Werke" werden so wieder ausgeglichen: Mit diesem Versprechen der mittelalterlichen Kirche konnte Luther sich nicht anfreunden.
Er hat mit Gottes Wort, der Bibel, gerungen. Ist Gott wirklich so ein unbarmherziger Richter, fragte er sich. Muss ich in die Hölle, weil ich die geforderten Werke nicht erfüllen kann? Dann kam die erlösende Erkenntnis: Nein. Gott ist vielmehr liebender Vater. Das muss ich glauben, es ist das einzige "Werk", das Gott fordert. Nicht durch Taten und nicht durch Spenden kann sich der Mensch Gottes Ansehen verdienen, es zählt nur der Glaube – das wurde zum Grundgedanken des Protestantismus.
Lesen Sie hier: Darf ich mit einer Spende prahlen?
Natürlich hat man Luther damals gleich vorgeworfen: Dann kann ja jeder machen, was er will! Luther würde die Menschen von der Verantwortung lossprechen, diese Welt durch "Gute Werke" besser zu machen. Aber so wollte er nicht verstanden werden: "Gute Werke" tun ist für einen Gläubigen selbstverständlich. Wer allerdings die "Guten Werke" für sich selbst, für sein "Seelenheil" tut, der geht fehl.
Kein Christ muss spenden, schon gar nicht an eine Organisation, die im Gegenzug das irdische oder jenseitige Heil für den Spender oder die Spenderin verspricht. Es gilt aber auch: Wenn der eigene Glauben nicht dazu führt, "Gute Werke" zu tun, Menschen in Not auch finanziell beizustehen, dann sollte man sich fragen, woran das liegt, und vielleicht noch einmal bei Luther nachlesen.
Aus diesem Artikel lese ich…
Aus diesem Artikel lese ich ein Missrtrauen heraus bezüglich des Spendens.
Das befremdet mich gerade in einer christlichen Zeitschrift.
Wo doch ein geflügelter christlicher Idiom ist, dass geben besser sei als nehmen.
Deshalb sollte für alle, nicht nur für Christen, Spenden ein Bedürfnis sein, wenn man es kann, bis hin zur Entbehrung.
Freilich muss man aufpassen und sich immer vergewissern wohin man was spendet.
Aber da sind wir schon wieder bei einem grundsätzlichen gesellschafts-politischen Problem,
nämlich der Gier, mit unlauteren Mitteln an Geld zu kommen, vor dem auch Christen nicht gefeit sind.
Denken wir nur an einen Ahnen der Spendensammlung, an den Herrn Tetzel.
Wolfgang Schlenzig
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