Was man vom Spenden per Testament hat
Moritz Wienert
Vererben und Spenden
Was eine Erbschafts-Fundraiserin erlebt
Wer eine Spendenorganisation als Erbin einsetzt, kann oft auch eine Bestattung nach eigenen Wünschen vereinbaren sowie eine taktvolle Haushaltsauflösung
Tim Wegner
Moritz Wienert
Aktualisiert am 10.07.2024
7Min

chrismon: Sie machen Erbschafts-Fundraising, besorgen also Geld für den Naturschutz über Testamentsspenden. Ist das nicht anrüchig?

Lisa Tembrink-Sorino: Immer mehr Menschen wollen an gemeinnützige Organisationen vererben, und wir begleiten diese Menschen beim Erstellen ihres Testaments. Daran kann ich nichts Anrüchiges erkennen.

Was sind das für Menschen, die gemeinnützig vererben wollen?

Bisher waren es viele kinderlose Menschen, aber wir werden nun immer öfter von Menschen als Erben eingesetzt, die Kinder haben. Die Menschen werden älter, manche haben selbst geerbt, die Kinder sind gut gestellt, verdienen vielleicht sogar mehr als man selbst, manche Kinder sind selbst schon rentennah. Da sagen sich die Menschen: Die Kinder bekommen nur den Pflichtteil, ich möchte lieber noch mal die Organisation bedenken, der ich schon so lang verbunden bin. Die Bereitschaft zum gemeinnützigen Testieren nimmt zu, aber es scheitert oft an der Umsetzung. Deswegen erklären wir, wie man ein Testament macht und dass das eigentlich gar nicht so schlimm ist.

Bekommt man auch juristischen Rat?

Ja. Wir vermitteln die Menschen an Fachanwälte und -anwältinnen und bezahlen die Erstberatung.

privat

Lisa Tembrink-Sorino

Lisa Tembrink-Sorino arbeitet beim WWF (World Wide Fund For Nature) und berät Menschen zur Testamentsspende. Nach ihrer Ausbildung zur Fundraising-Managerin an der Fundraising-Akademie arbeitete sie zunächst für das Evangelische Johannesstift, eine große Sozialstiftung in Berlin, und nun für die Natur- und Umweltschutzorganisation WWF.

Warum wollen Menschen gemeinnützig vererben?

Oft aus Dankbarkeit. Die Menschen sind sehr dankbar, dass sie gut gelebt haben, sie möchten was zurückgeben. Und sie möchten die Zukunft gestalten. Bei uns sind auch viele, die ihrem Projekt sehr verbunden sind, viele haben beim WWF ihr Lieblingstier - den Tiger, den Elefanten. Oder eine Region, für die sie noch einen Beitrag leisten wollen.

Wie darf man sich das vorstellen: Die Leute rufen Sie an und sagen, ich möchte mein Testament machen?

Manche Menschen machen ihr Testament einfach und informieren uns erst im Nachhinein. Oder rufen auf der Fahrt zum Notar hier an, um noch schnell die genaue Adresse des WWF zu erfahren, die müssen sie ja ins Testament schreiben. Wir machen aber auch persönliche Besuche.

Wie läuft so ein erstes Gespräch mit Ihnen ab?

Viele möchten zunächst ihr Leben erzählen, was sie geschaffen haben, was schön war, was Schicksalsschläge waren - wie sie die Personen geworden sind, die sie jetzt sind. Meine Kollegin und ich erleben das so, dass sie damit auch erklären möchten, warum sie nun diesen Schritt tun. Manchmal sind es Schicksale, die wir auch verkraften müssen, wenn zum Beispiel Kinder gestorben sind. Auch schwierige Nachkriegserfahrungen.

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Wie geht es weiter?

An oberster Stelle steht, was die Person möchte. Das versuchen wir umzusetzen. Wenn es abstruse Wünsche sind, sagen wir das auch offen.

Was sind denn abstruse Wünsche?

Wir hatten jetzt zum Beispiel jemanden, der wollte uns auch seine Immobilie vermachen, aber wir dürften sie nur an Deutschstämmige verkaufen. Wir sagten, dass das unseren Werten widerspricht, dass er uns nicht in seinem Testament bedenken soll und dass wir das Erbe ausschlagen, wenn er es trotzdem tut.

Müssen Sie auch sonst Grenzen setzen?

Ich werde keinen Familienstreit schlichten. Ich rufe nicht den Bruder an und sage, er soll sich mal bei seiner Schwester melden. Manche Menschen sind sehr dankbar und wollen einem persönlich was Gutes tun. Da sagen wir dann, dass wir nichts über 20 Euro annehmen können, dass sie aber gern eine Spende machen können. Damit auch ganz klar ist, dass wir nicht in eine Kind-, Enkel- oder Schwiegertochterrolle gehen. Denn das bin ich nicht. Ich bin eine Mitarbeiterin des WWF, das ist meine Arbeit, die ich sehr gerne tue und auch mit Leidenschaft.

Ist das nicht traurig, sein eigenes Testament zu verfassen?

Nein. Die Menschen denken zwar manchmal, sie würden ihr Todesurteil unterschreiben, wenn sie ein Testament machen. Aber hinterher sind sie erleichtert. Denn eigentlich ist es ein freudiger Akt, wenn man alles so geregelt hat, wie man es haben möchte. Dann kann man sich wieder dem Leben zuwenden.

Sie haben lange Beziehungen mit den Menschen, oder?

Bei uns liegen im Durchschnitt 10 bis 15 Jahre zwischen Testamentserstellung und Tod. Wir bleiben Ansprechpartner. Wir kriegen mit, wenn ein Partner gestorben ist, das ist manchmal wirklich tragisch. Wir versuchen dann auch mal, ob wir eine Nachbarschaftshilfe ansprechen können. Und wir sehen natürlich auch, wie manche Menschen im Alter abbauen. Wenn ich es terminlich irgendwie einrichten kann, gehe ich zur Beerdigung. Das ist die letzte Ehre, die ich dieser Person, die den WWF bedacht hat, geben kann.

Kann man als Testamentsspenderin Ihnen auch die Nachlassabwicklung übergeben?

Ja. Das machen wir, wie viele andere Organisationen auch, wenn man uns als Erben einsetzt, also nicht nur ein Vermächtnis macht. Wenn wir Erbe werden, sind wir der Rechtsnachfolger der verstorbenen Person, wir kündigen Verträge, versorgen Haustiere, lösen den Haushalt auf, übertragen natürlich auch Vermächtnisse. Wir haben sogar drei Kolleginnen bei uns im Haus, die das machen.

Diese Nachlassabwicklung, wie muss ich mir die vorstellen? Wer geht da durch meine Wohnung?

Zuerst gehen zwei Mitarbeiterinnen vom WWF in die Wohnung, sichten alles, protokollieren, stellen wertvolle Gegenstände sicher und tun sie beim WWF in den Safe.

Muss es eine Mindesthöhe der Spende geben, damit Sie den Nachlass abwickeln?

Nein. Wir prüfen natürlich, ob der Nachlass überschuldet ist, wir haben ja sechs Wochen Zeit, das Erbe anzunehmen oder auszuschlagen. Wenn er nicht überschuldet ist, nehmen wir ihn an und wickeln ihn ab.

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Da kommt ja einiges an Kosten zusammen - schon für Grabpflege, letzte Steuererklärung, Wohnungsauflösung ...

Ja, mit Beerdigung, Wohnungsauflösung und so weiter sind es bis 15.000 Euro.

Sie versprechen eine taktvolle Auflösung des Haushalts, was heißt das?

Wir schauen erst mal, ob ein Sozialkaufhaus in der Nähe noch brauchbare Dinge nehmen kann. Und dann suchen wir gute Haushaltsauflöser aus, erklären der Firma alles, so dass die Auflösung pietätvoll zugeht, dass nicht drei Wochen Müllsäcke rumstehen, sondern dass alles erst einmal eingepackt wird, in den Container oder in den Lkw, und dass später, an anderen Plätzen, aussortiert wird. Das ist also kein Zerreißen und Auseinandernehmen der Wohnung.

Was machen Sie mit persönlichen Briefen und Fotos in der Wohnung?

Wir fragen die Verwandten, ob sie Interesse haben; wenn nicht, werden die Sachen sachgemäß vernichtet. Sie dürfen nirgendwo mehr auftauchen. Man sieht ja manchmal auf Flohmärkten Fotos, wo man sich schon fragt, wie die da hinkommen.

Was ist mit Haustieren?

Wir haben einen Haustiersteckbrief, da kreuzen die Menschen an, ob das Haustier im Auto mitfährt, kinderlieb ist, Medikamente benötigt, was es gern frisst ... Man kann auch ausschließen, dass das Haustier ins Tierheim kommt.

Wo bringen Sie das Tier denn dann unter?

Wir haben auch schon Katzen bei uns im WWF vermittelt. Aber meistens verstirbt das Tier vor dem Erblasser. Und wenn die Menschen ein gewisses Alter erreicht haben, schaffen sie sich kein neues Tier mehr an. Letztens haben wir einen Hund in ein Altersheim für Hunde vermittelt, aber das kommt wirklich selten vor.

Das heißt aber auch, dass Sie viele Daten von Leuten aufbewahren?

Ganz wichtiges Thema im Erbschaftsbereich. Es haben nur wenige Leute Zugang zu den Daten, und wir speichern natürlich keine Gesundheitsdaten. Wenn mich jetzt Frau Müller anruft und erzählt, dass sie eine Operation hatte, speichere ich in der Datenbank nur, dass ich mit Frau Müller telefoniert habe und ihr eine Karte mit Genesungswünschen schicke. Das darf ich speichern, alles andere nicht.

Sie haben auch ein Formular für Bestattungswünsche.

Ja, wir wissen dann, wenn es so weit ist, auch Bescheid, welche Lieder gespielt werden sollen, wer eingeladen werden soll. Und wer nicht. Damit wir das alles machen können, müssen wir informiert werden. Wir haben kleine Kontaktkarten, wo draufsteht, dass man im Todesfall den WWF informieren soll, dazu unsere Telefonnummern. So eine Karte kann man zum Beispiel im Portemonnaie tragen. Wenn man im Heim lebt, sollten wir bei der Heimleitung als Kontaktperson hinterlegt sein.

Und wenn ich mich umentscheide und doch lieber einer anderen Organisation das Erbe geben will, etwa dem Hospizdienst vor Ort ...

Bitte uns Bescheid sagen. Auch ganz ehrlich: Ich habe den Hospizdienst kennengelernt, und der liegt mir so am Herzen. Dann wünschen wir alles Gute, danke, dass Sie es gesagt haben.

Keine Konkurrenzgefühle?

Nein. Wir sind zum Beispiel häufig gemeinsam mit anderen Organisationen im Testament bedacht und das ist doch wunderbar. Wir setzen uns alle für eine bessere Welt ein, jede Organisation auf ihre Weise. Und letztlich geht es um den Menschen und seine individuellen Wünsche, und deswegen soll er entscheiden, was ihm wichtig ist, frei und ungezwungen.

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Werde ich eigentlich dauernd kontaktiert, wenn Sie wissen, dass ich Ihre Organisation im Testament bedenken will?

Nein. Ich möchte den Menschen natürlich schon immer mal wieder deutlich machen, dass es eine gute Entscheidung war, den WWF einzusetzen, wir haben ja diese lange Zeit bis zur letzten Spende. Aber niemand soll sich bedrängt fühlen. Deswegen sage ich auch immer wieder: Wenn Sie unseren Kalender nicht mehr wollen, melden Sie sich, oder wenn Sie nicht mehr eingeladen werden möchten, dann sagen Sie das gerne.

Wozu laden Sie denn ein?

Wir machen einmal im Jahr ein Dankeschön-Treffen für alle Menschen, die uns im Testament bedenken. Letztes Jahr zum Beispiel in Mannheim auf der Bundesgartenschau, mit Vortrag über ein WWF-Projekt, Führung übers Gelände, Kaffeetrinken. Es kamen 70 Menschen von 700 Eingeladenen.

Warum sind Sie eigentlich ausgerechnet beim Erbschafts-Fundraising gelandet?

Ich liebe Geschichten! Ich finde es interessant zu hören, welchen Weg jemand eingeschlagen hat und warum. Und es ist immer eine Win-win-Situation - für beide Seiten.

Sie sind dann letztlich auch diejenige, die dankt. Haben Sie beim WWF eine Erinnerungskultur?

Noch nicht. Als ich beim Evangelischen Johannesstift arbeitete, haben wir uns, wenn jemand verstorben ist, als Team kurz hingesetzt, eine Kerze angezündet und noch mal erzählt, was wir für Begegnungen mit diesem Menschen hatten, was besonders war. Der Name der Testamentsspendenden wurde auf einem Felsen verewigt. Beim WWF würde ich gern einen Erinnerungswald erschaffen. Dass wir dort zum Beispiel Steine mit Namen hinlegen. Eine Erinnerungskultur finde ich wichtig. Dass was bleibt.

Infobox

Viele gemeinnützige Organisationen haben extra Ansprechpersonen für Menschen, die eine Spende per Testament erwägen. Einige bieten außerdem auf gemeinsamen Portalen Vorträge, Videos, Broschüren, Adressen zum Thema, etwa das "Nachlass-Portal" von rund 30 Organisationen oder die Initiative "Was bleibt" von Diakonischen Werken und zwölf evangelischen Landeskirchen; ebenso "Mein Erbe tut Gutes".