Mein Urgroßvater Willy Klare war von 1908 bis 1914 Kakaoplantagenverwalter auf der Insel Fernando Póo in Spanisch-Guinea, heute Äquatorialguinea. Zeit seines Lebens, er starb 1973, glorifizierte er den Kolonialismus. Ob er die Objekte, die er heim nach Dresden schickte oder mitbrachte, unrechtmäßig besaß, weiß ich nicht. In den Geschichten, die im Familienkreis erzählt wurden, war Willy ein "Abenteurer".
Als Kind dachte ich, so ein "Afrikazimmer" hat jede Familie. So nannten wir unser Gästezimmer, das mit den Erbstücken dekoriert war. Seit vier Generationen wandert diese koloniale Sammlung durch die Wohnungen und Häuser meiner Familie. Es wurde alles aufgehoben: Fotos, Briefe, Urkunden, Elfenbein, zwei geschnitzte Holzhocker . . . Mit der Zeit kamen auch andere Objekte dazu, einige Figuren etwa brachte eine Tante aus dem Keniaurlaub mit. Das Schränkchen auf dem Bild oben ist aus Indien. Zu DDR-Zeiten war das Zimmer identitätsstiftend, ein Symbol für Reisefreiheit. Die große Welt im kleinen Zimmer. So konnten meine Eltern sich dem kommunistischen System entziehen. In meiner Jugend begann ich, die von meiner Großmutter überlieferten und teils verklärenden Erzählungen zu hinterfragen.
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