chrismon: Die Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit verleiht Ihnen die Buber-Rosenzweig-Medaille. Was bedeutet das für Sie?
Peter Fischer: Ich bin unglaublich stolz darauf – eine große Ehre. Persönlich geht es mir jedoch nicht um Lametta. Es ist mir wichtiger, etwas bewirken zu können.
Peter Fischer
Sie haben oft Eintracht Frankfurt vertreten, wenn Stolpersteine verlegt wurden, zuletzt im September für das vertriebene Eintracht-Mitglied Bertha Bodenheimer und ihre Familie. Wie erleben Sie solche Momente?
Sehr emotional, das sind keine einfachen Veranstaltungen. Sie erinnern an das unendliche Leid, das zahlreichen Mitgliedern von Eintracht Frankfurt im Nationalsozialismus angetan wurde. Gleichzeitig sind sie aber unglaublich wichtig, gerade in der heutigen Zeit, auch damit wir unsere demokratischen Werte gegen andere Strömungen verteidigen.
Klare Kante zeigen, Position beziehen
Der 90-jährige Helmut Sonneberg ist Eintracht-Fan und KZ-Überlebender.
Ja, und er ist er noch erstaunlich fit und hat ein sehr großes Eintracht-Herz. Trotz seiner schlimmen Erlebnisse ist er ein so positiver Mensch und versprüht eine unglaubliche Lebensfreude. Sonny ist ein wichtiger Zeitzeuge für die Eintracht und die Gesellschaft. Von ihnen gibt es leider nicht mehr viele. Ein Satz aus Sonnys Mund hat mich besonders beeindruckt: "Bei allem Leid, das ich erlebt habe, hat mich meine Eintracht-Familie nie fallengelassen. Man hat mich bei meinem Verein nie ausgegrenzt. Man hat mich aufgefangen."
Viele Sportfunktionäre finden, Sport und Politik gehören getrennt. Sie nicht. Warum?
Warum sollte man seine exponierte Stellung und Reichweite nicht gegen gesellschaftliche Fehlentwicklungen einsetzen, wenn es angebracht und notwendig ist – auch in anderen großen Organisationen mit großer Reichweite? Vereine sind Bürgerinitiativen. Wir machen, was der Staat nicht leisten kann. Eintracht Frankfurt vereint über 95 000 Mitglieder aus allen Schichten. Ein kleiner Teil des Vereinslebens dreht sich um den Sport, alles Weitere sind gesellschaftliche Themen. Clubs wie Eintracht Frankfurt sind heute auch ein Fieberthermometer der Gesellschaft. Und als einer der größten und bedeutendsten Vereine in Deutschland müssen wir bereit sein, klare Kante zu zeigen und Position zu beziehen.
Sie sagten: "Solange ich da bin, wird es keine Nazis bei Eintracht Frankfurt geben." Welche Reaktionen haben Sie darauf bekommen?
Schon vor meiner Zeit bei der Eintracht richtete sich unsere Vereinssatzung klar gegen Homophobie, Rassismus und Antisemitismus und für Weltoffenheit und Toleranz. Das ist mit den Werten von Nazis unvereinbar. Wer dieses Wertesystem nicht akzeptieren kann, wird nicht gezwungen, Mitglied von Eintracht Frankfurt zu werden. Wer allerdings als Mitglied beitritt, verpflichtet sich darauf. Natürlich, als das Interview mit dem Zitat Ende 2017 erschien, kamen zahlreiche Drohungen und viel Hass gegen meine Familie und mich. Aber eine große Zahl an Menschen hat mich auch unterstützt. Es sind auch unglaublich viele Menschen deswegen bei Eintracht Frankfurt Mitglied geworden, auch Fans von anderen großen Vereinen, die in ihren Schreiben eines immer ganz besonders betont haben: "In den Farben getrennt, aber in der Sache vereint."
Der frühere Vereinspräsident, ein SS-Mann
Im Januar 2018 haben die Mitglieder Sie mit 99 Prozent der Stimmen im Amt bestätigt. Hat Sie das Ergebnis überrascht?
Eigentlich nicht, aber ich bin wahnsinnig stolz darauf.
Im Januar 2020 hat die Eintracht ihrem Ex-Präsidenten Rudi Gramlich die Ehrenpräsidentschaft aberkannt. Schon lange war bekannt, dass er einem Totenkopfkommando der Waffen-SS angehörte. Ein schwerer Entschluss?
Ein Ehrenpräsident muss – egal was er Positives für den Verein erreicht hat – auch moralisch ein Vorbild für die Gesellschaft, die Vereinsmitglieder und die Jugend sein. Von daher war für Eintracht Frankfurt die Aberkennung nach den Ergebnissen des von uns beauftragten Fritz-Bauer-Instituts nur die logische Konsequenz. Die Studie war zu der Erkenntnis gekommen, dass sich Rudolf Gramlich in verschiedener Hinsicht grundsätzlich in das NS-System integrierte, von ihm profitierte und an seinen Herrschaftspraktiken partizipierte.
2013 verlor die Eintracht in Tel Aviv 4 : 2. Was sind Ihre Erinnerungen an den Besuch?
An Fußballergebnisse kann ich mich glücklicherweise nicht gut erinnern. Aber die Bilder von der Reise haben sich eingebrannt. Trister und kalter November in Frankfurt, Sommer und über 30 Grad beim Auswärtsspiel in Israel. Sonne, Meer, Strandbars, 2000 mitgereiste Eintrachtler, herzliche Begegnungen, spannende Gespräche, tolle Gastfreundschaft, schönes Rahmenprogramm, großer Respekt. Unvergessen!