Bolivien steckt seit dem Sturz des linken Präsidenten Evo Morales in einer demokratischen Krise und droht nach dem von Armut und Korruption zerrütteten Venezuela zum nächsten Sorgenkind des Kontinents zu werden. In Chile, Kolumbien und Ecuador sind im Herbst Millionen Menschen gegen ihre Regierungen auf die Straßen gegangen. Es kam zu Plünderungen und Polizeigewalt, Menschen starben. Aber die überwiegend friedlichen Sozialproteste könnten einen dringend nötigen Wandel anstoßen. Das macht Hoffnung.
Sebastian Drescher
Die Bewegungen verbindet das Misstrauen gegenüber den politischen Eliten und die Wut über die große Ungleichheit. In Chile, dem reichsten Land Lateinamerikas, hat ein ungezügelter Kapitalismus viele Bürger überrollt. Löhne und Renten der ärmeren Hälfte sind gering, die Lebenskosten hoch, Bildung und Gesundheit privatisiert. Die Revolte zeigte Wirkung: Im Frühjahr sollen die Chilenen abstimmen, ob die Verfassung aus Zeiten der Diktatur, die viele soziale Reformen verhindert, erneuert werden soll. Der Wunsch vieler Bürger ist groß, sich dabei aktiv einzubringen.
Mehr soziale Gerechtigkeit, weniger Korruption
Ähnlich wie in Chile vereint der Protest in Kolumbien Gewerkschaftler, Studenten, Menschen aus der neuen Mittelschicht und Angehörige indigener Minderheiten. Sie fordern mehr soziale Gerechtigkeit und prangern die Korruption an. Und sie rufen den konservativen Präsidenten Iván Duque dazu auf, den Friedensprozess mit den Farc-Rebellen nicht weiter zu blockieren. Gut, dass die Menschen ihre Forderung nach sozialem Frieden und Dialog endlich so lautstark kundtun.