Vor drei Monaten bekam ich einen besorgten Anruf von Priscila. Die junge mexikanische Theologin unterrichtet zurzeit hier in Lima. Sie erhalte Hasskommentare im Internet, erzählte sie, würde sogar als Mörderin beschimpft. Priscila ist protestantische Christin und Feministin. Sie vertritt offen die Ansicht, dass jede Frau es selbst am besten beurteilen kann, wenn sie abtreiben muss. Damit hat sie zurzeit keinen leichten Stand in Peru. "Sie hassen mich, weil ich gerade als Christin für das Recht auf eigene Entscheidung eintrete", sagt Priscila.
Hildegard Willer
Das peruanische Gesetz zur Abtreibung ist streng. Nur wenn die Gesundheit der Mutter auf dem Spiel steht, ist ein Schwangerschaftsabbruch erlaubt. Das gilt auch für Opfer von Vergewaltigungen. Trotzdem demonstrieren jedes Jahr Tausende von Menschen in Lima beim "Marsch für das Leben" gegen Abtreibung.
Wie in ganz Lateinamerika erstarkt auch in Peru die fundamentalistische Rechte. Die Positionen gab es früher schon. Neu ist, dass ihre Vertreter so gut organisiert sind, in mehreren Ländern an die Öffentlichkeit gehen und offensiv politische Ämter anstreben. Die Themen Abtreibung, Gender und LGBT (Homo- und Transsexualität) sind ein rotes Tuch für diese breite ultrakonservative Front, die sogar eine seltsame neue Form der Ökumene hervorgebracht hat. Rechtskatholische Gruppen wie Opus Dei und evangelikale Kirchen sind sich einig: Alles wo Gender draufsteht, ist des Teufels. Vor einigen Monaten protestierten Tausende dagegen, dass dieser Begriff in die peruanischen Schulbücher aufgenommen wird – wie überhaupt das Thema Sexualität. Das Motto dieser Bewegung: "Leg Dich nicht mit meinen Kindern an."
Die Angriffe gegen Priscila im Internet haben inzwischen abgenommen. Sie bleibt dennoch vorsichtig, etwa wenn sie spät abends mit dem Bus nach Hause fährt. Es schwingt immer die Angst mit, dass einer der Verleumder ihr nachstellen könnte. Ihren Mund verbieten lässt sie sich jedoch nicht.