Sasa Stanisic
Saša Stanišić fordert uns auf, den Geschichten der anderen zuzuhören
Melina Mörsdorf/laif
Motivation
Du hast etwas zu sagen!
Dass jemand an ihn glaubte, erlebte Saša Stanišić als Kind. Warum das viele bräuchten, wie das gehen könnte, schreibt er in dieser Ermutigung. Ein Auszug aus seinem neuen Buch
Saša StanišićKatja Sämann
18.12.2025
6Min

Es gibt kein Wort für den Vorgang, wenn ein Kind zum ersten Mal eine Geschichte in einer Sprache, die nicht seine erste ist, lesen und begreifen kann.

Es gibt kein Wort für das Gefühl, das ein Kind empfindet, wenn es zum ersten Mal in einer Sprache, die nicht seine erste ist, die eigene Geschichte erzählen darf. In der Geschichte lebt das Kind in einem Land, in dem seine erste Sprache nur von wenigen gesprochen wird. Auf dem Schulweg begegnen ihm Orks. Und es ist jemand da, der die Geschichte liest und fragt: "Hast du noch eine? Vielleicht ohne Orks?"

Ich war dieses Kind, und es war ein Deutschlehrer, der meinen ersten zaghaften Textversuchen auf Deutsch mit jener Frage begegnet ist. Er ermutigte mich, noch mehr zu erzählen – und auf Deutsch. Einem der Texte traute er sogar zu, dass er auch andere interessieren könnte. Er ließ dieses Gedicht in einer Deutschstunde lesen und interpretieren. Die Botschaft an mich lautete: Auch wenn dein Deutsch nicht gut ist, du hast etwas zu sagen.

Das Gedicht handelte von Heimatverlust und traurigen Ungewissheiten des Lebens in einem neuen Land – einem neuen Leben. Die deutsche Sprache war in diesen 45 Minuten, in denen Fatih aus der Türkei gut fand, wie sich nichts reimte, und Verena aus Dossenheim den Kontrast interessant zwischen dem Unvertrauten des Geflüchtetenalltags und dem ihr Vertrauten der Natur und Siavash erzählte, sein Onkel habe auch fliehen müssen, aus dem Iran – die deutsche Sprache war nicht mehr nur mein lahmes Kommunikationspferd, sondern machte, Lyrik geworden, sichtbar, wer ich war und was mir wichtig war, was mich beschäftigte.

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