Nils Thal, Feuerwehrmann aus Nürnberg, arbeitet seit drei Jahren immer wieder als Freiwilliger in der Ukraine
Sitara Ambrosio
Freiwillig löschen im Ukraine-Krieg
In feindlichem Feuer
Warum hilft ein Nürnberger Feuerwehrmann als Freiwilliger beim Löschen in der brennenden Ukraine? Ein Porträt aus Charkiw
David-Pierce Brill
Privat
05.11.2025
11Min

Um zwei Uhr morgens schlägt die Bombe ein: In Charkiw, einer Stadt im Osten der Ukraine, heulen die Sirenen, Flammen schlagen aus dem Dach des Barabashovo-Markts und fressen sich durch die Lagerräume. Die Luft riecht nach verbranntem Kunststoff, das Löschwasser ist schwarz gefärbt durch die Asche, die als feiner Regen von der Decke rieselt. Glassplitter knirschen unter schweren Stiefelsohlen, Männer in Uniform brüllen gegen das Fauchen der Flammen an. Nils Thal steht in einer schusssicheren Weste und einem Helm vor der Markthalle, löscht das Feuer und hofft, dass keine zweite Bombe neben ihm einschlägt.

Eigentlich ist Nils Thal bayerischer Beamter, angestellt als Feuerwehrmann bei der Stadt Nürnberg – seit drei Jahren jedoch arbeitet er immer wieder als Freiwilliger in der Ukraine. Manchmal brennt eine Küche, weil jemand vergessen hat, den Herd auszumachen. An anderen Tagen rückt Thal mit seinem Kollegen aus, weil ein altes Stromkabel durchschmort. Und manchmal steht er mit seinem Team in einer Markthalle, die in Flammen steht, weil eine russische Bombe eingeschlagen hat. Dann löscht er ein 2800 Quadratmeter großes Flammenmeer.

Jedes Mal, wenn Nils Thal ausrückt, könnte es sein letzter Einsatz sein: Charkiw ist eine der am meisten bombardierten Städte im russisch-ukrainischen Krieg. Trotzdem arbeitet der 38-Jährige in der Feuerwache im Nordosten der Stadt, wartet, bis der Alarm schrillt, springt auf ein Löschfahrzeug und rast dorthin, wo die Bomben fallen. Warum riskiert ein Mensch sein Leben, um einem Land zu helfen, das er kaum kennt?

"Ruhig" heißt: Drohnen, Raketen, Luftalarm – aber nicht in ihrem Revier

Ein paar Tage bevor Thal zum Barabashovo-Markt ausrückt, sitzt er abends in der Kälte und isst ein Stück Wassermelone. Ein halbes Dutzend Männer warten neben ihm, Zigarettenrauch qualmt aus Mundwinkeln, Funkgeräte knarzen. Die Feuerwache 18, Thals Arbeitsplatz, ist ein brachialer Backsteinbau mit Rolltoren und Fenstern, vor denen sich Sandsäcke stapeln. Sie liegt in Saltivka im Nordosten von Charkiw.

Als 2022 die russische Armee auf die Stadt vorrückte, war Saltivka ein Vorort, in dem die ukrainischen Truppen den Vormarsch stoppten. Die Kampfhandlungen haben tiefe Narben in dem noch immer bewohnten Viertel hinterlassen: Ballistische Raketen und Artilleriegeschosse zerstörten Wohnsiedlungen, schlugen Krater in Spielplätze und Schulgebäude, Häuserkämpfe zerstörten ganze Straßenzüge. Viele Gebäude sind nicht mehr bewohnbar, die Fassaden durchlöchert, die Scheiben zerborsten. Bagger reißen einsturzgefährdete Häuser ab, während immer neue Luftangriffe immer neue Ruinen schaffen.

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