chrismon: Seit 44 Jahren legen Sie Menschen ihre Hände auf, um deren Befinden zu verbessern. Wie geht das, was ist das Besondere an der Praxis des Handauflegens?
Anne Höfler: Das Besondere am Handauflegen ist das Absichtslose – und der tiefe Kontakt mit einer inneren Kraft, die in uns allen steckt. Häufig kann es auch als Begleitung einer schulmedizinischen Behandlung dienen, beispielsweise bei einer Chemotherapie. Das ist letztlich auch das, was mich in der Palliativarbeit immer wieder sehr berührt, wenn Menschen, die voller Metastasen sind, sagen, dass sie sich heil fühlen, wenn ihnen die Hand aufgelegt wird. Sie wissen, dass ihr Körper stirbt, aber sie fühlen in sich etwas, was davon nicht berührt wird. Das kann Vertrauen schenken – bis zum letzten Atemzug.
Anne Höfler
Sehen Sie es als Konkurrenz zu schulmedizinischen Behandlungsmethoden?
Nein, auf keinen Fall – zum Glück haben wir sie und die Homöopathie und alles andere. Es ist lediglich ein Angebot, daneben das zu nutzen, was in uns allen angelegt ist – und sich darauf einzulassen. Viele Menschen, die kamen, die sich parallel zu ihrer Chemo die Hand haben auflegen lassen, konnten letztlich die Begleiterscheinungen der Behandlung besser vertragen. Manche wiederum sagen, es wäre das Letzte, was sie tun würden, und das ist auch vollkommen in Ordnung.
Wie läuft das Handauflegen genau ab?
Jede Sitzung beginnt immer mit einem Gebet, das uns hilft, uns für die heilende Kraft zu öffnen und bewusst in eine Haltung des Geschehenlassens einzutreten. Dann geht es dabei nicht darum, selbst etwas zu tun, sondern sich als Kanal zur Verfügung zu stellen – still, offen und ohne Absicht. Während des Handauflegens versuchen wir, innerlich leer zu werden und unser eigenes Wollen zurückzustellen, damit die Kraft wirken kann, wie sie es will. Es braucht dabei eine innere Haltung des Zulassens und Annehmens. Am Ende des Handauflegens lassen wir los und geben alles in Gottes Hände – im Vertrauen, dass das, was geschehen soll, geschehen wird. Schlussendlich sagen wir Dank für jede noch so kleine Veränderung, die geschehen kann und darf.
"Als meinte Tochter im Alter von wenigen Monaten Neurodermitis bekam, hat das mein Leben komplett verändert"
Anne Höfler
Wie kamen Sie dazu?
Bis meine Tochter krank wurde, mein drittes Kind, habe ich eigentlich ein ganz normales Leben geführt – Englischkurse geleitet, mich auch um andere Kinder gekümmert. Aber als sie dann im Alter von wenigen Monaten Neurodermitis bekam, hat das mein Leben komplett verändert.
Inwiefern?
Es war ganz schlimm damals, ihre Haut war am ganzen Körper offen und sie hat auf alles allergisch reagiert. Nichts hat geholfen. Ich bin verzweifelt zu meiner Familie nach England gefahren – und habe schlussendlich bei meiner Cousine im Regal ein Buch von Agnes Sanford entdeckt. In den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts seien durch sie ganz viele Heilungen geschehen. Während ich ihr Buch las, fing ich an, meiner Tochter die Hand aufzulegen. Am Anfang wusste ich nicht, wohin – ich habe sie instinktiv auf den Bauch gelegt. Heute weiß ich, wie wichtig der Darm ist bei diesen Krankheiten. In der zweiten Nacht hat sie das erste Mal durchgeschlafen. Ich weiß noch genau, wie dankbar ich in diesem Moment war – auch weil ich wusste, da gibt es was, was uns helfen kann.
Wie ging es dann weiter?
Es war noch ein langer Weg, aber die Haut meiner Tochter ist tatsächlich nach und nach abgeheilt. Ich habe mir dann Leute gesucht, die das Handauflegen kennen oder zumindest sich in einem ähnlichen Feld bewegen – irgendwann haben dann auch andere Mütter mitbekommen, dass das Handauflegen meiner Tochter geholfen hatte. Viele brachten mir irgendwann ihre Kinder, die selbst mit chronischen Krankheiten zu kämpfen hatten – so ging es damals los.
Kann grundsätzlich jeder das Handauflegen lernen?
Ja, wir alle tragen diesen Schatz in uns. Es ist eine Fähigkeit, die in uns allen angelegt ist – so wie wir auch alle ein Instrument lernen oder malen können. Es braucht eher Interesse, Hingabe und die Bereitschaft, sich auf diesen Weg einzulassen. Für manche wird das Handauflegen zu einem tiefen inneren Weg, vielleicht sogar zu einem Lebensweg. Für andere bleibt es eine wertvolle Möglichkeit, im Alltag etwas Gutes zu tun – in der Familie, in der Partnerschaft oder in schwierigen Lebenssituationen. Es kann etwas sein, worauf man zurückgreifen kann, wenn Worte nicht mehr reichen. Ich höre immer wieder berührende Geschichten von Menschen, die in der letzten Lebensphase eines Angehörigen einen Zugang zu dieser Person gefunden haben – etwa, indem sie einfach die Hände aufgelegt haben und dabei Liebe spürten, wo vorher vielleicht Distanz war.
Muss man dafür gläubig sein?
Wenn man Hände auflegen will, glaubt man natürlich, dass die göttliche Kraft vorhanden ist. Die Menschen, die sich die Hände auflegen lassen, müssen nicht an etwas glauben. Es geht dabei nicht um die Zugehörigkeit zu einer Religion oder um bestimmte Glaubenssätze. Die Menschen kommen mit ganz unterschiedlichen Hintergründen zu mir – manche glauben an etwas Größeres, andere sagen einfach: "Ich probiere es aus, weil ich schon alles andere versucht habe." Beides ist völlig in Ordnung. Das Gebet ist ein fester Bestandteil des Handauflegens – aber ich halte es offen, so dass möglichst viele Menschen etwas damit anfangen können.
Wie geht es den Menschen danach? Was spiegeln sie Ihnen zurück?
Das ist ganz unterschiedlich – je nachdem, wer da ist und wie jemand gestrickt ist. Manche Menschen empfinden während oder nach dem Handauflegen etwas – vielleicht Wärme, eine tiefe Ruhe oder einfach ein Gefühl des Getragenwerdens. Andere spüren Entspannung oder sagen, dass sich etwas gelöst habe. Es gibt auch Menschen, die gar nichts Konkretes spüren – auch das ist völlig in Ordnung. Oft sind die Menschen danach stiller als vorher, wirken gesammelt, manchmal auch berührt. Viele möchten gar nicht viel sprechen, sondern einfach noch ein bisschen sitzen oder in Ruhe gehen. Mit Kindern ist es oft ganz direkt – sie stehen auf, sagen "Jetzt langt’s". Auch das gehört dazu.
Anne Höfler: "Open Hands – Grundlagen und Praxis des Handauflegens" (2011), Knaur-Verlag, 180 Seiten, 15 Euro.