- Anmelden, um Kommentare verfassen zu können
Es gibt Eigenschaften, die praktisch jeder Mensch besitzt, die aber keiner haben möchte. So etwas wie Wut, Neid und eine gewisse Unsicherheit über den eigenen Körper. Und dann gibt es Eigenschaften, die praktisch jeder Mensch haben möchte, die aber nicht jedem vergönnt sind. Dazu zählt der Humor. Wenn wir in diesen Zeiten etwas dringend brauchen, außer genügend zu essen und ein Dach über dem Kopf, dann ist es Humor. Er hilft uns, selbst die schwierigsten Momente ohne Verzweiflung durchzustehen und Auswege zu sehen, statt zu resignieren.
Leider gibt es damit immer wieder Schwierigkeiten. Sicher kennen Sie diese gefälligen Bilder, deren Reproduktionen in den Wartezimmern der Republik hängen. Sie sind nicht umwerfend schön, auch keinesfalls hässlich. Ihre Farben harmonieren, ihr Sujet erregt bei niemandem Anstoß. Beim Humor gibt es dafür kein Äquivalent.
Darum ist Humor nicht immer und nie für alle lustig. So gibt es jede Menge schlechten Humor, der in der Regel dadurch gekennzeichnet ist, dass über Schwächere gelacht wird. Selbst guter Humor gefällt nie jedem. Zumindest der, der sich durch einen Witz bloßgestellt fühlt, will nicht lachen. Diejenigen hingegen, die gelacht haben, wollen nicht, dass ihre angenehme Empfindung moralisch überprüft wird.
Der englische Philosoph und Aufklärer Anthony Ashley-Cooper, Earl of Shaftesbury, hatte schon 1708 eine wichtige Frage an uns "Menschen von Verstand und Bildung": "Wie kommt es, dass wir uns in unseren Abhandlungen davor fürchten, uns der Lächerlichkeit preiszugeben?" Eine echte Wahrheit, meint er, kann mit den Augen von Naturwissenschaft oder Ökonomie betrachtet werden oder aus der Perspektive der Wertschätzung – sie bleibt wahr. Aber sie kann eben auch mit dem Licht der Lächerlichkeit angestrahlt werden, was bestimmte Aspekte beleuchtet, die aus ökonomischem und naturwissenschaftlichem Blickwinkel nicht sichtbar wurden – und die Erkenntnis bleibt immer noch wahr.
Das ist auch der Grund, warum totalitäre Ideologien und Autokraten zu allen Zeiten eine ausgeprägte Allergie gegen den Humor hatten. Denn wahrheitswidrige Behauptungen und falsche Lösungen halten der Probe der Lächerlichkeit nicht stand. Wie das unschuldige Kind in Andersens berühmtem Märchen die Nacktheit des Kaisers offenbart, so kann bis heute der Humor offenlegen, wenn ein großes Gebilde in Wirklichkeit aus nichts als heißer Luft besteht.
Leider gibt es im Deutschen dabei ein Problem, nämlich den äußerst ähnlichen Klang der Worte "ernst" und "ernsthaft". Das Wort "ernst" bezeichnet das Gegenteil von Humor, einen hoch kontrollierten, pflichterfüllenden gedanklichen Standpunkt. "Ernsthaft" hingegen ist eine Sache, eine Haltung, die von Aufrichtigkeit und Tiefe geprägt ist. Und diese steht ausdrücklich nicht im Gegensatz zum Humor. In keiner anderen Sprache klingen diese beiden unterschiedlichen Dinge so ähnlich und darum verwechseln wir sie auch oft. Manchmal wird Humor abgelehnt, weil ein Thema zu wichtig sei, dabei sollte sich Humor mit nichts anderem als wichtigen Themen befassen.
Gute Zeiten sind schlecht für Humor, leider geht es dem Humor zurzeit äußerst gut. Man kann mit Gelassenheit beobachten, wenn Schlaghosen oder Fischerhüte wieder modern werden, aber wenn versucht wird, die Probleme von Gegenwart und Zukunft mit Konzepten aus der Vergangenheit zu lösen, dann braucht der Mensch Humor.