In meiner Erfahrung wird ein Heiliger Moment durch die spürbare Nähe zu Gott und die daraus resultierende Entgrenzung der irdischen Realität immer von dem Gefühl einer absoluten Verzauberung begleitet. Deshalb fällt es mir schwer, einen einzelnen hervorzuheben. Es ist kein singuläres Ereignis, es fühlt sich eher an wie ein das Leben begleitender Strom. In den letzten Wochen allein trat er einmal genau dann auf, als er es sollte und alles für ihn bereitgestellt war: Während des Chorgesangs auf der Fronleichnamsprozession – die zugegebenermaßen für mich als Protestantin etwas Exotisches hat – schloss ich die Augen, denn es klang auch in mir: Gott ist hier.
Ein anderes Mal kam es spontan: Ich diskutierte seit einer Weile hitzig mit einer Litauerin über die Möglichkeit einer Versöhnung mit Russinnen und Russen. Dann gingen mir die Pro-Argumente aus. Konfrontiert mit ihrer unverrückbaren Feindschaft, die mich mittlerweile einschloss – Qui non est nobiscum, contra nos (Wer nicht für uns ist, ist gegen uns) –, wusste ich nicht weiter. "Könnte ich in solchen Momenten reden wie Du, Jesus! Wer nicht gegen uns ist, der ist für uns. (Markus 9,40) Allein weiß ich nicht weiter. Du kennst den Weg zu Vergebung und Frieden. Ich glaube Dir! Komm auch zu ihr! Komm zu uns allen – wir brauchen Dich hier!" So sprudelt es seitdem in mir.
Sophie von Maltzahn
Beim dritten Mal passierte es, als ich mich auf der Suche nach einer in Vergessenheit geratenen heiligen Quelle befand. Kaum jemand im Dorf konnte sich noch an sie erinnern. Zugestanden, in Kärnten wie überall in Österreich gibt es so viele heilige Quellen, dass sich Reiseführer damit füllen lassen. Trotzdem, etwas so Kostbares sollte nicht verloren gehen, dachte ich mir und will sie seither finden.
Am Stammtisch des Dorfältesten-Rats ließ sich immerhin zusammentragen, dass es sich um eine Katharinenquelle handeln soll. Vor Ort gewesen war aber schon lange niemand mehr.
Schwanken zwischen Erleichterung und Enttäuschung
Für die genaue Lokalisierung befand ich mich also mit einem Zeitzeugen am Feldrand. Vor uns türmte sich eine grüne Mauer aus Brennnesseln, Büschen und Brombeeren auf. Immerhin tönte von der anderen Seite das Geräusch von sprudelndem Wasser laut zu uns herüber. Es gab hier was zu finden! Das komme aber vom Bach, klärte mich der Zeitzeuge auf.
Mit den Wanderstöcken schlugen wir uns stichprobenartig einen Pfad durch die Wildnis. Leider führte der zu einem steilen Abhang. Egal wie weit ich hinabkraxelte, sehen ließ sich zwischen den dichten Blättern weiterhin nichts. Dafür fing der Boden an, sumpfig und unbequem zu werden. Hinten im Erlenbruch gebe es ein Meerauge, rief der Zeitzeuge zu mir herunter. Ein Meerauge ist ein Toteisloch aus der Gletscherzeit, dessen Wasser aus einem langsam geschmolzenen Eisblock stammt.
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"Wie viel mehr Wasser will man auf der Suche nach ‚Lebendigem Wasser‘ eigentlich noch finden?", fragte ich mich und rief den Berg hinauf: "Wer weiß, ob sich das alles nicht schon längst vermischt hat?" Wir beschlossen, die Suche abzubrechen und nach der Schneeschmelze wiederzukommen.
Auf dem Weg zum Auto schwankte ich zwischen Erleichterung und Enttäuschung, dass wir die Quelle nicht gefunden hatten. Was wäre dann wohl passiert? Hätten wir aus ihr getrunken und uns körperlich besser gefühlt? Hätten wir kranke Augen damit gewaschen, die danach wieder sehen könnten? Was ließe sich noch damit kurieren, wo sonst hohe Arztrechnungen drohen? Derlei besprachen wir und waren schon einige Meter problemlos gefahren, als sich plötzlich die Räder nicht mehr in der Kurve einschlagen ließen. Immer wieder an derselben Stelle.
Wir stiegen aus, überprüften die Reifen, überprüften den Weg. Es ließ sich keine logische Ursache dafür finden. Bis wir auf einmal, beim sechsten oder siebten Versuch, plötzlich weiterfahren konnten. "Das macht wirklich überhaupt keinen Sinn." Das war uns beiden klar. "Zapperlott, dann könnte es ein Geist gewesen sein." Oder eine Seele. Normalerweise nicht, aber hier, an diesem energetisch überladenen Ort, da würde es wieder Sinn machen.