chrismon: Wie sind Sie zum Pilgern gekommen?
Sandra Freudenberg: Als ich 15 Jahre alt war, bin ich allein von der Eifel nach Garmisch-Partenkirchen gezogen. Ich begann, die Berge kennenzulernen. Es ging vor allem um Skifahren und Klettern. Später fing ich an, mich für den Kulturraum der Alpen zu interessieren. Als ich an einer Wallfahrt im Gebirge teilnahm, ist mir diese Art des Wanderns zugefallen und ich begann, mich mit dieser Tradition zu befassen. Bei meiner ersten Wallfahrt sind wir auf einem langen Weg betend zu einer katholischen Wallfahrtskirche gewandert. Wir haben stundenlang abwechselnd das "Gegrüßet seist du, Maria" und das "Vaterunser" gebetet und geschwiegen. Ich dachte, ich werde verrückt. Durch meinen Kopf sind D-Züge gefahren. Aber es hat etwas mit mir gemacht, am Wallfahrtsort kam ich dann verändert an. Außerdem bin ich dort völlig beseelten Menschen begegnet. Ich habe beschlossen, dass Wallfahrten, Pilgerreisen und Bittgänge ab jetzt zu meinem Leben gehören.
Was unterscheidet Pilgern vom Wandern?
Beim Pilgern breche ich bewusst mit einer spirituellen Haltung auf. Anders als beim Wandern laufe ich auch mal Wege, die nicht so schön sind. Ich bin einmal den ganzen Tag an einer Bundesstraße entlanggegangen.
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Glaube brutal.
Nicht nur die Natur, auch Gedanken können brutal sein. Man kann nur vermissen, was man hätte haben können und von dem man weis, dass man es nicht hat, es aber gerne hätte gerne haben wollen. Beispiel das ewige Leben. Gibt es das nicht, ist jede Rede, jeder Glaube umsonst. Gibt es die lebende Ewigkeit und bekomme ich sie nicht, was habe ich dann verloren, wenn ich zu Staub geworden bin? Kann man verlieren, was man weder kennt und von dem niemand berichtet hat?. Was nur geglaubt, allenfalls geahnt wird, weil man die eigene Endlichkeit für unglaubwürdig hält? Auch der Wert ist dunkel. Schliesslich hat einen Wert nur das, was es gibt, was man vermisst und hätte gerne haben wollen. Ein Gedankenkreis ohne Ende und Anfang. Ganz profan: Was fehlt mir, wenn ich kein Chinesisch kann? Was fehlt mir von dem, was ich gar nicht weis, dass es das gibt? Wie kann jemand bestraft werden, wenn er nicht das ewige Leben erhält? Wo keine Belohnung, da auch keine Strafe. Auch den Tod kann es nicht geben, denn nach der Lehre kann man das "Nichts" nicht bestrafen. Also kommen als göttliche Ruten wieder das ewige Leben im Fegefeuer und der Teufel ins Spiel. Und dann noch mit Liebe, Barmherzigkeit, Toleranz und Nächstenliebe verbrämt. Leider muss der ungetaufte 3-Tage-Säugling für immer und ewig in die Hölle. Die wahre Liebe ist unerbittich gegenüber den Ungetauften, aber gnädig gegenüber den wehrlos getauften, die aber anbeten und zahlen und vorher noch hier mordeten. Nicht wenige von denen wurden ohne göttlichen Widerspruch sogar heilig gesprochen. Die Lüge als das ewige Leben der Ungerechtigkeit.
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