Filmtipps der Woche
Küstenwandern gegen die Krise
Marianne Elliott schildert in „Der Salzpfad“ mit Gillian Anderson und Jason Isaacs in den Hauptrollen die mühsame Wanderung eines obdachlos gewordenen Ehepaars
Der Salzpfad
DCM Film Distribution GmbH
Tim Wegener
17.07.2025
3Min

Moth (Jason Isaacs) und Ray (Gillian Anderson) stehen vor dem Ruin. Die Ursache wird nur angedeutet, aber das Mittfünfziger-Ehepaar hat die Farm verloren, auf der sie gearbeitet und gelebt haben. Zudem erhält Moth eine niederschmetternde Diagnose: Er leidet an einer unheilbaren Nervenerkrankung, an der er sterben wird. Da er aber nicht akut vom Tod bedroht ist, hat das Paar keinen Anspruch auf eine Notunterkunft. Sie beschließen, erst einmal nirgendwo zu wohnen, und machen sich auf den Weg: Sie wollen den "Salzpfad" wandern, den Southwest Coast Path, ein über 1000 Kilometer langer Trail entlang der Südwestküste Großbritanniens, von Somerset über Devon und Cornwall nach Dorset.

Die Wanderung soll ihnen Zeit verschaffen, einen Plan zu entwickeln, wie es weitergehen könnte. Anfangs ist jeder Kilometer ein Kampf, Moths Krankheit macht sich bemerkbar, aber bald findet das Paar – und auch der Film – seinen Rhythmus. In ruhigem Erzähltempo fängt die Kamera die raue Natur an der Küste ein, nahezu frei von Rosamunde-Pilcher-Kitsch. Es gibt sie zwar, die perfekten pink-blau-goldenen Sonnenuntergänge am Strand, aber auch die diesigen, scheinbar endlosen Regentage, die matschigen Pfade, den erbarmungslosen Wind und die pieksigen Schwarzdornbüsche.

Leseempfehlung

Wanderfilme, nichts anderes als Roadmovies zu Fuß, handeln oft von Menschen, die ihren Halt verlieren und wieder Boden unter den Füßen suchen. Wenn der Druck zu groß wird, wird der Mensch zum Fluchttier. Was als Weglaufen aus dem krisenhaften Alltag beginnt, verwandelt sich während der entbehrungsreichen Wanderung in Katharsis. Die Umstände reduzieren den Menschen auf die Erfüllung essenzieller Bedürfnisse, selbst wenn es sich nicht um einen Survival-Trip handelt.

Lesetipp: Was ist der Unterschied zwischen Wandern und Pilgern?

Das Laufen kann einem niemand abnehmen. Dennoch ist bei kaum einer Tätigkeit der wortwörtliche Fortschritt so unmittelbar erfahrbar. Gleichzeitig entschleunigt die körperliche Beschränkung das Leben. Das ist ein filmisch dankbares Sujet, da sich Bewegung, Schauplatzwechsel und Begegnungen von selbst ergeben. Moth und Ray wollen nicht nur laufen, sie müssen: Das Geld geht ihnen aus – pro Woche stehen ihnen nur wenige Pfund zur Verfügung – und auch die Zeit drängt, da Moths Krankheit sie jederzeit zum Anhalten zwingen könnte.

Sie kämpfen immer wieder gegen das Gefühl der gesellschaftlichen Wertlosigkeit an, das ihnen entgegengebracht wird, sobald sie an den Rand der Bedürftigkeit geraten. Manchmal erfahren sie zwar unerwartete Hilfsbereitschaft, manchmal schlägt ihnen aber auch Ablehnung entgegen. Die soziale Kälte kriecht ebenso gnadenlos in die klammen Schlafsäcke wie der Küstennebel. Zerzaust und zäh schleppen sie sich über die grünen Hügel und schöpfen vor allem aus ihrem Zusammensein die Kraft, weiterzumachen. Im Kern ist "Der Salzpfad" eine leise, aber umso eindringlichere Liebesgeschichte, die vor allem in zärtlichen Gesten erzählt wird wie dem Teebeutel, den sie beide (aus Kostengründen) regelmäßig miteinander teilen.

"Der Salzpfad" basiert auf dem biografischen Bestseller von Raynor Winn. Um die Glaubwürdigkeit der Geschichte, insbesondere dem Umstand der Obdachlosigkeit und der tatsächlichen Schwere der Krankheit, hatte es zuletzt Kontroversen gegeben; Winn hat die Vorwürfe der Unwahrheit bislang bestritten. Der Film jedenfalls vertraut auf die Wirkung seiner Geschichte und verzichtet dabei auf große Tragik oder dramatische Höhepunkte.

Die beiden Wanderer wachsen dem Zuschauer schnell ans Herz, was dem nahbaren Spiel von Gillian Anderson und Jason Isaacs zu verdanken ist. Ihre Rettung liegt letztlich nicht im Ankämpfen gegen Umstände und Witterung, sondern in der Akzeptanz von beidem. Am Ende sind sie von den Elementen getauft, "gesalzen", wie es ihnen eine ominöse Passantin bescheinigt.

© DCM

Großbritannien 2024. Regie: Marianne Elliott. Buch: Rebecca Lenkiewicz. Mit: Jason Isaacs, Gilian Anderson. Länge: 105 Minuten. FSK: ab 6. FBW: ohne Angabe.

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