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Ich habe Aljoscha vor drei Jahren zum ersten Mal in Frankfurt bei einer der Veranstaltungen zur Hilfe für die Ukraine gesehen. Ich besuche ständig solche Veranstaltungen, weil ich nicht nur Ukrainerin, sondern auch Journalistin bin. Mir war aufgefallen, dass Aljoscha auch sehr oft an solchen Veranstaltungen teilnimmt. Wir lernten uns kennen, sprachen miteinander. Schließlich lud er mich zu einem Benefizabend mit Jazzmusik ein. Er trat zusammen mit einer Sängerin aus der Ukraine auf. Das gesammelte Geld kam später komplett ukrainischen Kindern zugute.
Wer ist Aljoscha?
Aljoscha Crema wurde 1980 in Frankfurt am Main geboren. Seine Wurzeln sind väterlicherseits deutsch-italienisch und mütterlicherseits ukrainisch-russisch. Aljoscha studierte Musik und Fremdsprachen in Frankfurt, arbeitete viele Jahre lang als professioneller Musiker, Sänger und Musiklehrer für Klavier.
Seit Beginn der groß angelegten Invasion war er mehrere Male in der Ukraine. Außerdem beteiligt er sich seit drei Jahren aktiv an Spendenaktionen, in und um Frankfurt und tritt, zusammen mit der ukrainischen Sängerin Alise Vito, bei Benefizkonzerten und Wohltätigkeitsveranstaltungen auf.
Ich habe Aljoscha aber nicht nur bei seinen Konzerten gesehen, er ist auch Fotograf; gerade ist eine schöne kleine Ausstellung seiner Reisefotos aus der Ukraine in Frankfurt zu Ende gegangen. Ich war mehrmals dort, habe mir die Bilder angesehen, den Musikaufführungen zugehört und viele interessante Menschen getroffen und mit ihnen über die Ukraine und das Schicksal meines Landes im Krieg geredet.
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Die Ausstellung war so erfolgreich, dass Aljoscha plant, sie im Frühjahr mit einem erweiterten Programm zu wiederholen. Aljoscha selbst sagt, sein Ziel sei nicht nur, Geld für Hilfsgüter zu sammeln, sondern auch, die Menschen über reale Ereignisse in der Ukraine zu informieren.
"Deutsche Nachrichten berichten meistens über die Lage an der Front oder über Raketen- und Drohnenangriffe", erzählte er mir. Dabei sei es genauso wichtig, auch über den Alltag in der Ukraine zu sprechen. Auch und gerade eben jenseits des Kriegsgeschehens.
Um die Situation im Land zu verstehen, müsse man wissen, wie das Leben in bestimmten Teilen des Landes sei. Viele Deutsche würden ihm immer wieder erzählen, dass Kyjiw ihrer Meinung nach völlig zerstört sei. Andere glauben immer noch, sie könnten mit dem Flugzeug in die Ukraine fliegen. Kurz: Es herrscht ein großes Unwissen in Deutschland über die Ukraine heute. Aljoscha klärt auf. Mit seiner Musik, mit seinen Fotos.
"Viele Deutsche denken, dass ich irgendwie verrückt sei, weil ich andauernd in die Ukraine reise", erzählte er mir weiter. Für seine deutschen Freunde wirke das "total absurd", weil das Land ihrer Vorstellung nach gerade im Chaos versinke. Stimmt nicht, sagt Aljoscha, der sich nicht entmutigen lässt. Denn diese Reisen sind anstrengend. Per Bus ist er ab Frankfurt gut 32 bis 40 Stunden unterwegs und sowohl während der Reise als auch in den ukrainischen Städten drohen überall die Bombenangriffe der Russen. Den Krieg könne man dort jederzeit "fühlen", weiß Aljoscha: "Besonders intensive Gefühle entstehen immer während einer Angriffswelle, wenn man Explosionen oder dröhnendes Summen über dem Haus hört. Aber auch in den Tagen nach dem Anschlag, wenn Menschen ihre Gedanken über das Geschehene äußern, werde ich immer wieder an den Krieg und seine alltägliche Präsenz erinnert."
Aljoschas Großvater mütterlicherseits war Ukrainer und mittlerweile lernt Aljoscha auch die ukrainische Sprache, denn er fühlt sich der ukrainischen Kultur durch diese familiären Wurzeln eng verbunden.
Aljoschas Erzählungen haben mich beeindruckt, denn sie stehen für viele Menschen hier in Deutschland, die sich ganz direkt und persönlich mit dem Schicksal meines Landes befassen und helfen, indem er unter großen Mühen dorthin reist und persönliche Eindrücke, Zahlen und Fakten sammelt. Schließlich, und das erfahre ich ja auch immer wieder als Journalistin, ist die wahrste Erfahrung deine eigene Erfahrung.
Schließlich unterstützen Menschen wie Aljoscha weder Politiker noch Krieg. Sie unterstützen einfache Menschen, die völlig schuldlos ihr ganzes bisheriges Leben aufgrund einer brutalen Invasion verloren haben. Ich möchte mich bei Aljoscha und allen anderen Deutschen, die sich engagieren, dafür bedanken.