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Den Titel für diese Folge habe ich mir entliehen von den "Dresdner Neuesten Nachrichten". Er beschreibt, was viele hier umtreibt. Ja, wir müssen sparen, das wissen wir alle. Doch viele kritisieren zurecht, wie gespart wird. Seit Monaten gehen die Menschen in Dresden auf die Straße und protestieren gegen diese "Liste der Grausamkeiten": Allein im Bereich der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen sollen gut 70 Stellen in den nächsten Wochen wegfallen.
Die Demonstrationen sind nicht die einzige Gegenwehr. In Protestnoten, Erklärungen, Unterschriftensammlungen äußern sich die Mitarbeitenden von Einrichtungen der Kinder- und Jugendarbeit, der Kultur, Schule, Gleichstellungsarbeit, Sport, Gesundheit, Pflege. Alle sind fassungslos. Sie wissen, was sie aufgebaut haben und was nun im Kern gefährdet ist: der soziale Zusammenhalt in der Stadt.
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Auch ein Bündnis hat sich gegründet. Auch ich arbeite dort mit. Ein Beispiel aus der Praxis:
Es geht um die "Soziale Beratungsstelle" im Dresdner Stadtteil Koitschgraben, eine Kontaktstelle für Familien in armen Lebenslagen. Die Beschäftigten haben in und für einen Stadtteil gearbeitet, in dem es viele betroffene und hilfesuchende Menschen gibt. Die Beratungsstelle war ein vertrauensvoller Anlaufpunkt. Nun wird es sie nicht mehr geben und die beiden Mitarbeitenden müssen sich eine neue Arbeit suchen.
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Bei der Feuerwehr soll an Schutzkleidung gespart werden - mit gravierenden Folgen. Denn eine schlecht geschützte Feuerwehr kann nicht wirklich gut schützen.
Ich kann bei den Kürzungen keinen "Leitgedanken" erkennen, kein fachliches Konzept. Vieles wird gegen fachliche Standards und wissenschaftliche Kenntnisse entschieden.
Ja, diese Kürzungen betreffen alle. Doch Menschen mit wenig Einkommen, alle, die sowieso jeden Tag schauen müssen, wie sie über die Runden kommen, leiden am meisten. Wenn der Eintritt in Parks und Schwimmbäder, der öffentliche Nahverkehr, die Parkplatzgebühren teurer werden; wenn Hilfsleistungen nicht mehr kostenlos sind oder Beratungsstellen für Jugendliche schließen, dann trifft es die Schwächsten unter uns am schärfsten.
Wer nur 20 Euro im Monat für Freizeitaktivitäten eingeplant hat, muss prozentual mehr sparen, wenn der Eintritt ins Schwimmbad um einen Euro steigt, als jemand, der dafür 100 Euro zur Verfügung hat. Die Kürzungen wirken sich überproportional hart auf die Ärmsten aus.
Doch darüber wird in der Öffentlichkeit kaum diskutiert. Sicher, die Zeitungen in Dresden und Leipzig berichten jetzt etwas ausführlicher als früher, weil es jetzt auch die Großstädte betrifft. Doch die kleineren Kommunen erleben den Sparzwang seit Jahren. Hier leiden die Menschen still. Sie fühlen sich nicht gesehen und, so empfinde ich es jedenfalls, sie werden auch nicht gesehen.
Wenn unbedingt gespart werden muss - die Notwendigkeit sehe ich sehr wohl -, warum werden die betroffenen Menschen nicht einbezogen?
Vielleicht hätten sie bessere, pragmatischere Ideen aus ihrem direkten Umfeld? Gerade in kleineren Kommunen steckt ein enormes Potenzial in Bürgerbeteiligungsprozessen. Wenn man gesellschaftliche Herausforderungen gemeinsam und transparent angeht, lassen sich vielleicht auch die Konsequenzen gemeinsam besser tragen. Die Unmuts- und Unzufriedenheitskurven würden abflachen. Vielleicht würde auch das Zutrauen in Regierungs- und Verwaltungsprozesse nachhaltig wachsen und so auch die Demokratie gestärkt werden. Das wäre hilfreich für die vielen Herausforderungen, die wir gerade haben. Davon würden alle profitieren. Gerade im Osten unseres Landes.