Ein zweites Kind - ja oder nein?
Wie groß soll die Familie werden? Und warum mischen sich immer viele andere in diese Planung ein?
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Familienplanung
Ein zweites Kind - ja oder nein?
Kaum ist das erste Kind auf der Welt, werde ich gefragt, ob wir ein zweites wollen. Dabei wächst mir eines schon fast über den Kopf...
Tim Wegener
25.07.2024
3Min

"Und denkt ihr auch schon über ein Zweites nach?", lautet ein Satz, den ich so oder so ähnlich in letzter Zeit häufiger höre. Moment! Da kriegt man endlich ein Kind, nur damit die liebe Verwandt- und Bekanntschaft nicht mehr nachhakt, "ob denn bei euch nicht auch mal was unterwegs ist", doch kaum kann der Erstgeborene aufrecht sitzen, fragen schon alle nach dem nächsten. Wieso denken denn so viele Menschen, dass nur, weil man gerne ein (!) Kind wollte, man automatisch doppelt so viele gut fände? Das geht einem mit Eisbechern ja auch nicht unbedingt so.

Jaja, ich weiß – das ist alles nicht böse gemeint! Und man will ja auch gar keinen Druck machen! Und man fragt ja nur aus Interesse nach! Aber Jan und Sophie kriegen im November dann ihr zweites... Und Anja und Daniel haben sogar schon drei...

Drei. Mir persönlich ist es ein Rätsel, wie Eltern mit drei (oder mehr) Kindern zurechtkommen. Einem befreundeten Paar steht das bald bevor: Sie wollten unbedingt ein Geschwisterchen für ihren Sohn (weil das auch die soziale Kompetenz fördern soll) und staunten, als sie auf dem Ultraschall gleich zwei Föten entdeckten. Jetzt freuen sie sich auf Zwillinge.

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Ich finde ein Kind schon recht anspruchsvoll, um ehrlich zu sein. Vor allem, wenn man nebenbei noch ein kleines Fitzelchen an Privatleben und Freizeit haben möchte. Ein harmloser Besuch im Kino ist für meine Frau und mich zu einem logistischen Kraftakt geworden: abends, nach der Arbeit, das Kind zur Oma bringen, ins Kino flitzen, zwischendurch was essen, heimfahren, schlafen und das Kind morgens wieder von der Oma abholen, damit es rechtzeitig zur Tagesmutter kommt. Vor lauter Hektik ist das Risiko hoch, dass ich im gemütlichen Kinositz innerhalb der ersten fünf Minuten einschlafe.

Und das schaffen manche mit drei Kindern? Was macht man denn mit den anderen beiden? Wie viele Omas braucht man, um das zu überleben? Es war vielleicht doch keine so gute Idee, die Großfamilie zugunsten beruflicher Verwirklichung abzuschaffen.

In den vergangenen anderthalb Jahren, seit der Geburt unseres Sohnes, haben wir recht viele Punkte auf der Entwicklungsliste abgehakt, auf die wir teils sehnlichst gewartet haben: Das Kind lernt zuzugreifen, es lernt sich zu drehen und das Köpfchen selbst zu halten. Es lernt zu sitzen, zu stehen, zu brabbeln, zu laufen usw. Es kann jetzt selbstständig essen, teilweise sogar mit Besteck. Teilweise sogar ohne anschließende Grundreinigung der Wohnung.

Mit jedem Entwicklungsschritt ist man als Eltern ein bisschen erleichterter: DAS haben wir zumindest geschafft. DAS haben wir jetzt hinter uns. Und dann soll man freiwillig von vorne anfangen? Puh. Ich finde das eine psychologische Herausforderung. Ich gehe noch nicht einmal gerne denselben Wanderweg zwei Mal. Und jetzt soll ich die komplette Begleitung der Einstiegsphase in ein Menschenleben noch einmal durchleben, obwohl ich die erste noch gar nicht richtig verdaut habe? Kann man ein zweites Kind nicht erst kriegen, wenn das erste aus dem Haus ist? Danke, Mutter Natur, für dieses enge Zeitfenster.

Klar, es gibt auch gute Argumente für ein zweites Kind: Sie können (irgendwann) miteinander spielen und brauchen nicht ständig uns Eltern dafür. Im Alter können sie sich mal gemeinsam streiten, wer unseren Pflegeroboter ölt. Und man kann beim zweiten Versuch alles richtig machen, was man beim ersten Mal falsch gemacht hat. Klappt bestimmt! Besonders verlockend: die Verwandtschaft fragt hoffentlich nicht mehr so oft nach, "ob die Familienplanung schon abgeschlossen ist". Denn jeder, der will, dass wir ein drittes Kind kriegen, soll erstmal selbst auflisten, wie viele er oder sie bekommen hat! Ich fühle mich maximal verpflichtet, gleichzuziehen.

Infobox

Ein paar Zahlen zum Nachwuchs:

  • 6,6 Millionen Frauen in Deutschland sind Mutter eines Kindes (33 Prozent aller Mütter oder 21 Prozent aller Frauen)
  • 9,4 Millionen Frauen brachten zwei Kinder zur Welt (47 Prozent aller Mütter oder 30 Prozent aller Frauen)
  • 4,2 Millionen Frauen hatten drei oder mehr Kinder (21 Prozent aller Mütter oder 13 Prozent aller Frauen) geboren

76,7 Prozent aller Kinder in Deutschland hatten 2023 mindestens ein Geschwisterkind. 23,2 Prozent sind (noch) Einzelkinder. 47 Prozent aller Kinder haben eine Schwester oder einen Bruder und sind damit die größte Gruppe.

Im Durchschnitt haben Mütter 2023 in Deutschland ihr erstes Kind mit 30,3 Jahren, ihr zweites mit 32,5 Jahren und ihr drittes mit 33,5 Jahren bekommen. Väter waren im Schnitt 33,2 Jahre beim ersten, 35,4 Jahre beim zweiten und 36,7 Jahre beim dritten Kind.

Quellen: Mikrozensus 2022, Statistisches Bundesamt (Destatis), Universität Duisburg-Essen, Institut Arbeit und Qualifikation

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Kolumne

Michael Güthlein
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Konstantin Sacher

Michael Güthlein und Konstantin Sacher sind Väter: ein (1) und drei Kinder (10, 9, 6). Beide erzählen über ihr Rollenverständnis und ihre Abenteuer zwischen Kinderkrabbeln und Elternabend, zwischen Beikost und Ferienlager. Ihre Kolumne erscheint alle zwei Wochen; sie schreiben im Wechsel.