chrismon: Vor fünf Jahren waren Sie dabei, als Ihre Mutter kurz vor ihrem Tod von ihrem Trauma eingeholt wurde. Wie haben Sie das erlebt?
Christine Richter: Sie war wie weggetreten, wimmerte, schrie. Ich konnte aber nicht verstehen, was sie sagt. Es waren schlimmste Laute, die ich von ihr nicht kannte. Meine Tochter hörte das durchs Telefon und sagte: Was ist das? Das hört sich ja an wie ein Tier, das verletzt wird. Auch die Ärztin hörte das und fragte mich, ob sie Traumata erlebt hat. Das musste ich bejahen.
Trauma ist ein Wort, das teilweise inflationär benutzt wird. Was versteht man darunter?
Ein Trauma wird durch eine schmerzliche Situation ausgelöst, auf die die Psyche nicht vorbereitet ist. Man erstarrt, das Gehirn spaltet die Erfahrung ab und funktioniert nur noch auf Reptilienniveau. Einen Knall verbindet man dann zum Beispiel nicht damit, dass man etwas Schlimmes erlebt hat, sondern nur der Körper reagiert darauf. Ein Trauma, das nur verdrängt wird, kommt irgendwann wieder. Und dann ist es, als wäre man genau jetzt in dieser Situation. Man nennt das auch Gehirnfahrstuhl. Man fährt wie in einen Keller. Wenn über solche seelischen Verletzungen nicht gesprochen wird, können sie sogar über mehrere Generationen weitergegeben werden.
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Bitte sachlich bleiben…
Bitte sachlich bleiben. Vererben kann man ein Trauma, weil genetisch unmöglich, nicht. Weitergeben wohl. Zeugen und dann vererben (mit Absicht genetische Erkrankung) erzeugt Schuld, ohne dass dann der Empfänger schuldig ist.
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