NS-Vergangenheit
Sind Sie Kriegsenkel?
Der Krieg in Israel triggert Sie? Vielleicht gehören Sie zur Generation der Kriegsenkel*innen. Die Therapeutin Ingrid Meyer-Legrand erklärt, wie uns die Vergangenheit prägt – und warum Schweigen überlebenswichtig sein kann
Eine Frau steht vor blauem Himmel mit dem Rücken zum Betrachter. Sie wird von einem Kind umarmt, von dem nur die Hände zu sehen sind
Maud Evrard / plainpicture
Tim Wegner
Aktualisiert am 15.08.2024
7Min

Der Krieg in Israel und die hohen Zustimmungswerte für die AfD machen mir große Sorgen. Der Gedanke, dass Jüdinnen und Juden auch in Israel nicht sicher sein können, triggert mich richtig. Hängt das damit zusammen, dass ich eine Kriegsenkelin bin?

Ingrid Meyer-Legrand: Ja, das würde ich sagen. Die Eltern der Kriegsenkel*innen wurden zwischen 1928 und 1946 geboren und waren noch von der NS-Ideologie geprägt, sie haben als Kinder Krieg und Flucht erlebt, das hat sich auch auf uns übertragen. Viele von uns spüren eine Verantwortung Israel gegenüber und dafür, dass sich die Geschichte nicht wiederholt.

Prägt die NS-Zeit uns auch dann, wenn die eigenen Eltern gar keine dramatischen Kriegs- oder Fluchterlebnisse hatten?

Man muss nicht unmittelbar persönlich betroffen sein, die ganze Gesellschaft, in der wir aufgewachsen sind, stand unter dem Eindruck der Verbrechen aus der Zeit des NS, viele waren traumatisiert, auch wenn darüber im Wesentlichen geschwiegen wurde. Die Generation der Täter, unsere Großväter und Großmütter, die für NS-Staat und Krieg verantwortlich waren, saßen ja ganz schnell wieder in leitenden Positionen und prägten weiter die Stimmung und Normen. So blieb das Schulsystem rigide, die Prügelstrafe war noch lange erlaubt, Kinder hatten keine Rechte, Andersdenkende wurden ausgeschlossen.

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