Tonspuren
Anna-Kristina Bauer, Andreas Graf
chrismon-Serie "Tonspuren"
Für seinen Vater, den Komponisten
Dass er Jude ist, war für Sergej Kolmanovsky, 78, nicht wichtig – bis er nach ­Deutschland kam. Er ging auf die Suche nach seinem Glauben und der Musik seines Vaters
Tim Wegner
03.06.2024

Sein großer Name sei gepriesen in Ewigkeit und Ewigkeit der Ewigkeiten . . . Das ist aus dem Kaddisch, einem der wichtigsten ­jüdischen Gebete. Es wird in Gottesdiensten gesprochen und wenn ein Verwandter ge­storben ist, rezitiert man es ein Jahr täglich.

Ich bin Komponist – wie mein Vater, Eduard Kolmanovsky. Er war berühmt in Russ­land. Einmal führte ich ihm eine lustige, jüdische Rapsodie von mir vor – er war enttäuscht. Er sagte: "Du solltest jüdische Musik so schreiben, dass jeder Verkäufer weint."

Mein Judentum habe ich erst in Deutschland entdeckt. Ich wurde als Jude aufge­nommen, bekam sofort eine Aufenthaltserlaubnis und durfte arbeiten. Ich dachte: Wenn ich das nutze, muss ich auch wissen, was das ist, ein Jude. Ich habe versucht, meinen Weg zur Religion und zur Musik zu finden. ­Allmählich verstand ich: Für die Juden hat die Religion besondere Bedeutung, denn wenn ein Volk kein eigenes Land hat, dann macht nur die Religion einen Juden zum Juden.

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Am Ende seines Lebens wollte auch mein Vater etwas Jüdisches schreiben. Doch er starb vorher. Deswegen widmete ich ihm zu seinem Gedenken dieses Werk. Man kann nicht ­sagen, dass es ganz traurig ist. Denn man fühlt darin, wie gut der Mann war, der gestorben ist.

Infobox

Für diese Reihe haben die Fotografen Anna-Kristina Bauer und Andreas Graf Menschen verschiedener Religionen nach ihrem Bezug zu spirituellen Liedern befragt. Mehr Infos zur Serie Tonspuren: www.chrismon.de/musik.

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