Der österreichische Künstler Friedensreich Hundertwasser zu Gast in der Wünsch Dir was mit Dietmar Schönherr, 1972. Austrian artist Friedensreich Hundertwasser in a German TV show hosted by Dietmar Schoenherr, 1972.
Screenshot von der ZDF-Sendung "Wünsch Dir was" mit Moderator Dietmar Schönherr und Friedensreich Hundertwasser, der gerade erklärt, dass bei diesem Haus die Gärten durch die Exkremente der Menschen in den Wohnungen gedüngt werden könnten....große Lacher im Publikum.
screenshot/privat
Hundertwasser als Lachnummer?
100 mal mehr Glück
"Ich sah in den Spiegel und wusste, dass ich ein Großer bin." So hat sich Friedensreich Hundertwasser selbst gesehen. Wer so redet, ist es meistens nicht. Dann sah ich eine Aufzeichnung aus dem ZDF von 1972 sah: Hundertwasser bei der Familienshow "Wünsch Dir was"
Tim Wegner
29.02.2024
3Min

Mögt Ihr bunte Farben, Kitsch und runde Ecken? Ich nicht, erst recht nicht an Gebäuden. So gesehen war Friedensreich Hundertwasser (geb. 1928, gestorben 2000) für mich nie ein wirklich ernst zu nehmender Baumeister. Er selbst dagegen sah sich genau in dieser Rolle: Zwei Generationen von Bauhaus-Architekten hätten unsere Städte zerstört. Nur er könne alles wieder richten. So und ähnlich sprach er gerne über sich. 

Im letzten Herbst war ich im Architekturzentrum in Wien im Museumsquartier. In einer der Ausstellungen über visionäre Stadtplanung stand ein alter Bildschirm und dort lief in Dauerschleife ein Auszug aus einer ZDF-Show vom 26. Februar 1972: "Wünsch Dir was" mit Dietmar Schönherr, Vivi Bach und als Gast: Friedensreich Hundertwasser. 

1972 war ich zwölf Jahre alt und so wie ich unsere Wochenendabenden mit Schnittchenteller für uns Kinder im Bademantel auf dem Fernsehsofa erinnere, ist es ziemlich wahrscheinlich, dass ich diese Sendung gesehen habe. Und ziemlich sicher haben wir uns genauso schlapp gelacht wie das Publikum in der ausverkauften Rheingoldhalle in Mainz, als Hundertwasser mithilfe großer Hausmodelle seine Vision einer menschengerechten Stadt erklärt: Hängende Gärten, ein Recht auf Grün für alle Menschen, auch die in den Innenstädten. Und selbst Autos "ohne Abgase", also heute unsere E-Autos, sollen raus aus der Innenstadt. Heute alles gelebte Realität. 

Als ich mir das Video für diesen Text im Web gesucht habe, bin ich hängengeblieben und habe die ganze Sendung geschaut. Großartig, dieser Zeitsprung zurück. Diese Farben! Die Kleider! Vivi Bach mit ihrem wirklich entzückenden dänischen Akzent....

Bei "Wünsch Dir was", einer Live-Eurovisionssendung, traten immer drei Familien aus Deutschland, Österreich und der Schweiz gegeneinander an. Erstaunlich, was da so alles von denen gefordert wurde. Einmal ist eine der Mütter bei einer der Challenges fast ertrunken. In der Folge von 1972 geht es sehr viel harmloser um Zukunftsvisionen, Stadtplanung und Architektur. 

Bei einer Aufgabe sollen die drei Familien eine Straße verlegen. Mitten durch ein "Dorf" aus großen Hausmodellen, die dank kleiner Räder leicht verschoben werden können. Die Straße soll möglichst direkt von A nach B gehen, mitten durch das Dorf, kostengünstig. Zack, zack räumt der Patriarchen-Papa aus Essen die alte Kirche, Rathaus und historischen Brunnen beiseite; Mutti und Kinder "verlegen" derweil eilfertig die Straßenplatten auf den freigewordenen Flächen. Historische Bausubstanz erhalten? Nix da. 

Ganz anders die Schweizer Familie. Intensiv diskutieren sie, wie die Straße so verlaufen könnte, so dass möglichst viele der schönen alten Häuser, von Kirche bis Rathaus, stehen bleiben. Sympathisch, finden Publikum und Dietmar Schönherr und geben ihnen die meisten Punkte. Die Deutschen fliegen raus. 

Hier das Video. Die Passage mit Hundertwasser und seinen Modellhäusern beginnt ca. Minute 100. 

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Ich finde beeindruckend wie Hundertwasser auftritt. Mit scharfen Worten verdammt er, was falsch läuft, übertreibt auch maßlos, doch wie er den drei Gastfamilien in der Sendung versucht zu erklären, dass sowohl Stadtplanung wie auch Architektur für die Menschen da sei, und es vor allem um die Einheit von Natur und Mensch im Leben ginge - da wirkt er sympathisch, menschlich, oft sogar bescheiden. Den schönsten Satz sagt er, als ihn Dietmar Schönherr fragt, wieviel teuerer denn all seine Ideen sein würden. Ja, teurer schon, sagt Hundertwasser, aber "100 mal mehr Glück". 

Lesetipp: Wie Städte sich mit Pflanzen und Bäumen gegen die Klimakatastrophe wappnen

Und dann noch ein kleiner Freizeittipp für alle, die Hundertwasser schon immer verehrt haben und seine Bauten lieben: Gar nicht so weit weg von Wien liegt eine riesige, von Hundertwasser noch zu Lebzeiten geplante und gebaute Hotelanlage in Bad Blumau. Laut Eigenangaben das größte bewohnbare Kunstwerk der Welt. Auch da sind sie wieder, Superlative und ein bisschen Größenwahn. 

Wir haben uns in dem Luxusressort eine Nacht gegönnt. Und was soll ich sagen? So ein bisschen runde Ecken, ein bisschen Gold an den Wänden und das alles zusammen mit Themalquellen und  unglaublich viel Bäumen auf den Dächern der Häuser - das hat was. 

Eingang von Hotel Rogner-Bad Blumau: bunte Farben, runde Ecken, viel Grün

Sidekick-Info: "Wünsch Dir was" mit dem Moderations-Ehepaar Schönherr/Bach gilt heute als Start des interaktiven Fernsehens. Ein jeweils vorher regional bestimmtes Publikum (in dieser Folge die Stadt  Düsseldorf) konnte mitbewerten, indem es zu Hause (bei Zustimmung) alle verfügbaren Lampen anschaltete. Die Zuwächse im städtischen Stromnetzwerk wurde dann wenige Minuten später per Telefon in der Sendung mitgeteilt. Hier eine Sendung aus dem Bayerischen Rundfunk zum Start der ersten Folge1969

Ps Ps : Die Wohnlage pausiert einmal und erscheint wieder in vier Wochen. Gutes Wohnen bis dahin!

 

 

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Kolumne

Dorothea Heintze

Wohnen wollen wir alle. Bitte bezahlbar. Mit Familie, allein oder in größerer Gemeinschaft. Doch wo gibt es gute Beispiele, herausragende Architekturen, eine zukunftsorientierte Planung? Was muss sich baupolitisch ändern? Wohnlage-Autorin Dorothea Heintze lebt in einer Baugemeinschaft in Hamburg und weiß: Das eigene Wohnglück zu finden, ist gar nicht so einfach. Alle zwei Wochen.