Jede Liebe muss mal kalt duschen
Laura Breiling
Streit in der Beziehung
Jede Liebe muss mal kalt duschen
Bei keinem Paar geht es nur harmonisch zu. Muss auch gar nicht, sagt Paartherapeut Wolfgang Schmidbauer - wenn man weiß, worauf es beim Streiten ankommt
Volker Derlath / SZ Photo
Aktualisiert am 20.09.2024
6Min

"Wir streiten zu viel, so geht das nicht weiter!" Das ist die häufigste Klage, mit der Paare in die Therapie kommen. Noch nie habe ich erlebt, dass ein Paar kommt und klagt: "Wir streiten zu wenig!" Obwohl das durchaus angebracht wäre, denn dann hätten die jetzt schier unüberwindbaren Verteidigungsanlagen gar nicht gebaut werden müssen, hinter denen sich die Partner verschanzt haben. Man hat sich, beispielsweise, angesichts von aufkommenden Differenzen im Bedürfnis nach Zärtlichkeit oder Sex nicht gestritten, sondern gewartet und gewartet, während die Entfremdung immer tiefer wurde.

Die Erwartung an den Paartherapeuten ist entsprechend: Er soll darauf hinwirken, dass weniger gestritten wird. Ich versuche dann so humorvoll wie möglich darzulegen, dass nicht der Streit in einer Beziehung das Problem ist, sondern seine Eskalation in Perioden der Versöhnungslosigkeit. Je stärker sich dieser beleidigte Rückzug ausprägt, desto wahrscheinlicher ist auch, dass in dem betroffenen Paar auch liebevolles Verhalten über längere Zeit hin entwertet und bestraft wird. Es macht die Beziehung einfach nicht besser, wenn die Seite, die den lieblosen Zustand schlechter erträgt, nur mit dem bitteren Beigeschmack zur Versöhnung aufrufen kann, klein beizugeben, sich zu erniedrigen, zu Kreuze zu kriechen.

Ein guter Streit stärkt die Beziehung

Der bei günstiger Gelegenheit ausgetragene, aber ohne nachhaltige Beleidigung geführte Streit ­bedeutet für die Liebe das Gleiche wie ein Saunagang oder eine kalte Dusche für das Immunsystem. Ich werde aus meinem lauen Behagen herausgerissen und einem Reiz ausgesetzt, der erst einmal nicht angenehm ist. Wer die Zone seiner Bequemlichkeit grundsätzlich nicht verlässt, versäumt es auch, die körpereigene Abwehr zu trainieren.

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