Flyer mit Aufschrift Suche bezahlbaren Wohnraum an einem Laternenmast
Das wird am dringendsten gesucht: bezahlbare Wohnungen!
Christian Ohde/Picture alliance
Kampf gegen Mietwucher
Gute Mietverträge dürfen kein Glücksspiel sein
Lara Schulschenk klärt auf, auf Insta und Tiktok gegen Mietwucher. Ihre Posts sind witzig, bissig und klären auf: über die Macht der Immobilienlobby und unseriöse Mietverträge
Tim Wegner
23.10.2025
6Min

Auf deinen Insta- und Tiktok-Accounts nennst du dich Larafurora – Furor heißt auch Wildheit, Wut, Raserei. Was macht dich wütend?

Lara Schulschenk: Mich machen die vielen falschen Glaubenssätze wütend. Zum Beispiel, dass wir immer so tun, als ob die Wohnkrise allein durch Neubau zu lösen wäre. Das ist Quatsch. Denn es liegt nicht daran, dass wir zu wenig Wohnungen haben, wir haben in erster Linie zu wenig bezahlbaren Wohnraum, weil Vermietende die Mieten in die Höhe treiben. Und das lässt sich durch teuren Neubau nicht lösen.

Gerade wurde ein Gesetz verabschiedet, das schon durch seinen Namen suggeriert, die Lösung der Wohnungskrise liege im Neubau: Bauturbo. Das Gesetz zielt vor allem darauf, lange Planungsverfahren bei Neubauten zu verkürzen. Warum funktioniert das Narrativ vom Neubau als Lösung immer noch?

Wenn man sich erfolgreiche Lobbyarbeit ansehen will, dann muss man sich die Arbeit der Immobilien-Lobby anschauen. Die machen das verdammt gut. Dass sie den Fokus auf das Bauen lenken, ergibt total Sinn, weil das die Macht der Branche wortwörtlich ausbaut, anstatt sie zu beschränken. Aber wer bezahlbaren Wohnraum will, muss Mieten regulieren. Anders funktioniert das nicht, das zeigen die letzten 25 Jahre. Der Markt regelt da gar nichts.

Lesetipp: Warum eine falsche Bodenpolitik die Wohnungskrise dauerhaft verschäft

Die Bundesregierung ist besonders stolz darauf, dass jetzt die Mietpreisbremse verlängert wurde. Was sagst du dazu?

Alle Menschen, die ich kenne, die sich intensiv mit der Wohnungskrise befassen und Wohnraum als Grundbedürfnis ernst nehmen, wissen längst, dass dieses Instrument nicht funktioniert. Da kann man auch gleich sagen, dass einem die Not der Menschen, die ihre Mieten nicht mehr zahlen können, egal ist.

Die Mietpreisbremse soll verhindern, dass Mieten bei einer Neuvermietung in angespannten Wohnlagen mehr als 10 Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen. Das ist doch eine gute Idee, oder?

Die Idee mag gut sein, aber in der Praxis gibt es riesige Schlupflöcher, zum Beispiel beim befristeten Wohnen. Für Vermietende ist es leicht, mit Möblierung zu tricksen. Davon abgesehen, lässt sie die Menschen allein. Die müssen nämlich selbst ihr Recht durchsetzen. Viele haben aber nicht die Ressourcen oder wollen es sich nicht mit ihren Vermietenden verscherzen. Es geht ja immerhin ums eigene Zuhause!

Lara SchulschenkLuisa Höppner

Lara Schulschenk

Lara Schulschenk, Jg. 1992 , hat Soziologie in Frankfurt und Kiel studiert und die Deutsche Journalistenschule in München absolviert. Sie war Reporterin für die Frankfurter Rundschau, Redakteurin für den SPIEGEL und arbeitet freiberuflich für verschiedene Medien. Zuletzt erschien ihr Buch »No Sweet Home«.

Wie könnten Mietende unterstützt werden?

Super wichtig wäre die Reform, die die Mietwucherregelungen wieder brauchbar macht. Denn bei Mieten, die 20 oder sogar 50 Prozent über den Vergleichsmieten liegen, können auch die Behörden eingreifen. Doch das schieben die Verantwortlichen seit Jahren vor sich her. Dabei dürfte die Zahl der Wuchermieten mittlerweile enorm sein, das sind keine Einzelfälle.

Du hast vor einigen Monaten angefangen, besonders krasse Verkaufs- oder Mietanzeigen auf Instagram zu posten – wie bist du auf diese Idee gekommen?

Die klassische Berichterstattung zum Thema bleibt meist bei abstrakten Zahlen oder individueller Betroffenheit stehen. Ich wollte die Wohnungskrise so thematisieren, dass möglichst viele Menschen einen Bezug dazu haben. Und da fast jeder schon mal auf Wohnungssuche war, schien es mir ganz passend, Wohnungsanzeigen zu besprechen. Das kommt auch richtig gut an. Denn diejenigen, die aktuell auf der Suche sind und verzweifeln, können sich austauschen und sehen, dass sie nicht allein sind. Andere sind erschrocken und schreiben mir, dass sie das große, oft so abstrakte Problem der Krise am Wohnungsmarkt mit diesen konkreten Beispielen viel besser verstehen. Wobei einige auch nicht glauben wollen, dass ich da nicht nur außergewöhnliche Extremfälle bespreche.

Einige dieser Posts erzielen über zehntausend Likes oder mehr – bist du jetzt eine Wohnungs- oder Mietmarkt-Influencerin? Und was ist dein Ziel?

Ich erreiche Millionen Menschen, indem ich sie unterhalte. Das ist mein Weg, um ganz nebenbei wichtige Infos zu vermitteln. Zum Beispiel eben, dass Neubau die Krise nicht lösen kann. Oder wie viel Gewinn sich Aktionäre bei großen Immobilienkonzernen wie Vonovia einstecken. Letztlich betreibe ich Aufklärungsarbeit.

Die Beispiele, die du gefunden hast, sind wirklich unfassbar frech. Was hat dich bisher am meisten geschockt?

Besonders krass war aber kürzlich ein Haus bei Goslar, in dem offensichtlich eine Person gestorben war. Also alles war noch da, selbst die Flecken der Körperflüssigkeiten im Bett. Und der Eigentümer wollte das für knapp 1000 Euro vermieten – ohne sich an den Sanierungsarbeiten zu beteiligen. Dabei müsste da sogar die Elektrik und vieles andere mehr neu gemacht werden.

Lesetipp: Wenn Eltern sterben - der Fotograf Jörg Egerer fotografiert verlassene Elternhäuser

Nicht alle Menschen, die dir folgen, finden gut, was du machst. Wie sehen die Gegenreaktionen aus?

Da kommen so "qualifizierte" Kommentare wie: "Immer wieder, wenn ich die nur sehe, kommt es mir hoch!" Oder: "Ich spreche der Frau im Video die Kompetenz ab." Oder: "So einen Unsinn öffentlich zu sagen, sollte mit Gefängnis bestraft werden." Das liegt zum Teil sicherlich auch daran, dass ich als Frau zu einem harten Wirtschaftsthema arbeite. Und dann merkt man in den Kommentarspalten auch, dass der Hass gegen arme Menschen in den letzten Jahren zunehmend geschürt wurde.

In deinem gerade erschienenen Buch "No Sweet Home" forderst du Grundkurse für Vermietende, also fast so eine Art Vermieterführerschein. Warum?

Auf dem gesamten Mietmarkt herrscht eine unglaubliche Willkür, und gerade die privaten Vermietenden kann man schlecht kontrollieren. Alle Mieterorganisationen berichten, dass es superhäufig Fehler in ganz normalen Mietverträgen gibt. Das kann alles aus Unwissenheit passieren, aber wenn man sowas nicht kann, dann ist man auch einfach nicht als Vermieter geeignet. Außerdem inspiriert die krasse Gewinnorientierung kommerzieller Vermietender auch kleinere private.

Lara Schulschenk: No sweet home. Gutkind Verlag, 250 Seiten, 18 Euro

Was meinst du mit "krasser Gewinnorientierung"?

Naja, die Organisation Finanzwende hat zum Beispiel herausgefunden, dass 2021 bei vier großen Konzernen pro einem Euro gezahlter Miete 41 Cent direkt an die Aktionäre und Aktionärinnen flossen. Es stimmt einfach nicht, wenn wir immer wieder lesen, dass die Mieten nur wegen gestiegener Baukosten oder der Inflation steigen. Nein, auch der Gewinn der Immobilienkonzerne trägt seinen Teil dazu bei, und zwar erheblich. Doch das lese ich selbst in Fachartikeln viel zu selten. Stattdessen klingt es oft so, dass Mieten wie ein Wasserpegel sind, der quasi natürlich steigt.

Das Ifo-Institut hat gerade veröffentlicht, dass die Mieten bei Neuverträgen in den sieben größten deutschen Städten seit 2013 um rund 75 Prozent gestiegen sind.

Das ist unfassbar. Wessen Gehalt ist bitteschön im gleichen Zeitraum um 75 Prozent gestiegen? Ich komme wieder zu meiner Wut zurück. Das macht mich wütend, dass viele das so stillschweigend akzeptieren.

Du bist 32 Jahre alt und schon zwanzigmal umgezogen. Was hat das mit dir gemacht?

Ich hab in verschiedenen deutschen Großstädten nach Wohnungen suchen müssen, immer aus beruflichen Gründen. Das ist mit den Jahren immer schwieriger geworden, sogar mit Festanstellung und durchschnittlichem Gehalt. Dann habe ich mich als Soziologin und Journalistin gefragt: Was macht das mit unserer Gesellschaft, wenn die Menschen jahrelang nach einem Zuhause suchen und sie das Gefühl beschleicht, keinen Platz mehr in dieser Gesellschaft zu haben?

Bei aller Wut und allem Ärger – wir wissen beide, dass es auf dem Mietmarkt auch zahllose sehr anständige Vermieter, Genossenschaften und auch Wohnungsbaugesellschaften gibt. Kannst du dir den Blick für diese andere Seite des Marktes überhaupt noch bewahren?

Ja, absolut. Und ich bin über alle Vermietenden froh, die verantwortungsbewusst handeln. Aber es hängt ausschließlich vom individuellen Glück ab, ob Mietende an so jemanden geraten. Das kann man in einer Demokratie nicht akzeptieren, dass die Erfüllung eines Grundbedürfnisses einem Glücksspiel gleicht. Und da wir ein strukturelles Problem auf dem Wohnungsmarkt haben, halte ich mich ehrlich gesagt auch nicht lange damit auf, über die positiven Beispiele zu sprechen. Ich hoffe, das können die guten Vermietenden verstehen.

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Kolumne

Dorothea Heintze

Wohnen wollen wir alle. Bitte bezahlbar. Mit Familie, allein oder in größerer Gemeinschaft. Doch wo gibt es gute Beispiele, herausragende Architekturen, eine zukunftsorientierte Planung? Dorothea Heintze lebt in einer Baugemeinschaft in Hamburg und weiß: Das eigene Wohnglück zu finden, ist gar nicht so einfach.