Foto Titelbild von 'The Little Coffee Shop of Kabul'
'The Little Coffee Shop of Kabul', Deborah Rodriguez
Tamriko Sholi/PR
Roman: "The Little Coffee Shop of Kabul"
Ein anderes Land – ein anderes Schicksal
Deborah Rodriguez hat einen spannenden Roman über Frauen in Afghanistan geschrieben. Mich hat es zum Nachdenken gebracht. Was bestimmt unser Leben? Unser Schicksal?
privat
20.08.2024
3Min

Als ich dieses Buch neulich im Buchladen in einem Regal stehen sah, hatte ich zunächst Zweifel. Auf dem Cover steht "Kabul" und die Autorin ist Amerikanerin.

Kennt sie das wahre Afghanistan? Ist das Buch nicht viel zu weit von dem entfernt, was dort passiert? Schließlich habe ich schon lange aufgehört, Abenteuergeschichten aus fernen Ländern zu lesen, meist sind sie nur romantisierend. Aber am Ende des Buches gab es ein Interview mit der Autorin, über ihr Leben in Kabul, ihre Flucht und ihr Schreiben. Das fand ich interessant.

Ich setzte mich auf das Sofa neben den Regalen und begann zu lesen.

Deborah Rodriguez ist 2002 von Amerika nach Afghanistan gezogen. Es gelang ihr, eine Wohltätigkeitsorganisation davon zu überzeugen, sie als Teil einer medizinischen Freiwilligengruppe aufzunehmen. Es war nicht einfach, denn Deborah selbst ist keine Ärztin, sondern Friseurin. Aber ihr fester Wunsch und viel Tatkraft halfen nach.

Schon vor Ort kam der Schock. Natürlich war nicht alles so, wie Deborah es sich vorgestellt hatte. Allein die Arbeitsbedingungen ihrer Friseurkolleginnen... In den Salons gab es kein Wasser, und die Kunden blickten auf Spiegelscherben. Ganz zu schweigen davon, dass sie mit einer einfachen Klinge oder einem einfachen Messer schneiden mussten, Scheren gab es kaum.

So begann Deborahs neues Leben: Sie eröffnete eine Schönheitsschule in Kabul und begann, die Kolleginnen mit den notwendigen Werkzeugen und Kenntnissen auszustatten. Gleichzeitig heiratete sie einen Afghanen, brachte ein Kind zur Welt und eröffnete ihr eigenes Café: "The Little Coffee Shop of Kabul", später Titel ihres Buches.

Doch zunächst musste Deborah Kabul verlassen. Sie hatte schon vorher geschrieben. Und ihr Buch – über die von ihr eröffnete Schönheitsschule – wurde in den USA veröffentlicht, wo sie auf Lesereisen ging und viel öffentliche Resonanz bekam. In Afghanistan galt sie ab da sofort als Millionärin, was nicht nur ihr Leben, sondern auch das ihres Kindes in Gefahr brachte. Einige Polizisten halfen ihr bei der Flucht aus dem Land, innerhalb einer halben Stunde musste sie ein paar Sachen zusammenschmeißen und fliehen. Kein Wort zum Ehemann oder den Freundinnen. Das Risiko war zu groß.

Ich habe das Interview zu Ende gelesen – und mir dann das Buch gekauft. Es ist ein Roman, aber es ist eine wirklich spannende Geschichte, und es geht vor allem um die Rechte von Frauen, und eben auch, die unterschiedlichen Rechte von Frauen. Je nachdem, wo diese Frau herkommt.

Deborah lässt verschiedene Protagonistinnen auftreten; Afghaninnen, aber eben auch drei US-Amerikanerinnen, die in Kabul ihr Glück suchen. Auch "Sunny" ist darunter, das Alter Ego der Autorin. Sunny betreibt ein Café in der Stadt. Kurz: Viele verschiedene Menschen treffen aufeinander und kunstvoll schafft es Deborah Rodriguez, deren Lebensläufe miteinander zu verknüpfen.

Ich habe während der Lektüre viel nachgedacht: Viele Menschen träumen von einem pulsierenden, abenteuerlichen Leben. Aber sie vergessen: Eine solche Lebensweise bedeutet Instabilität, Risiko, viel Angst, Fremde; du musst Dich schnell verändern können und es wollen. Andererseits ist ein geschütztes, mehr oder weniger stabiles Leben eben oft langweilig und fade. Doch beides kann nicht gleichzeitig funktionieren: entweder Stabilität und Routine oder starke Emotionen und Risiko.

Unsere Prioritäten und Werte sind so unterschiedlich. Doch sie sind es, die unsere Entscheidungen und damit das eigene Leben prägen. Welche Entscheidung treffe ich persönlich und wie wirkt sich das auf mein Schicksal aus?

Kolumne

Tamriko Sholi

Wer bin ich, wenn ich keine Heimatgefühle mehr habe? Was machen Krieg und Flüchtingsdasein mit mir? Darüber schreibt die ukrainisch-georgische Schriftstellerin Tamriko Sholi in Transitraum