Politik
Werden wir wirklich gesehen?
In der neuen Bundesregierung gibt es drei Ministerinnen und Minister aus Ostdeutschland. Dazu die neue Ostbeauftragte Elisabeth Kaiser. Wird das reichen, um die Entfremdung zwischen Ost und West zu überbrücken?
Neue Ost-Beauftragte Elisabeth Kaiser
Elisabeth Kaiser, die neue Ostbeauftragte der Bundesregierung begrüßt die Teilnehmenden der Konferenz vom Ostdeutschen Wirtschaftsforum in Bad Saarow
picture alliance/Patrick Pleul
21.05.2025
4Min

Gestern war ich in einem Handyladen und habe einen neuen Vertrag abgeschlossen. Dabei kam ich mit dem Mitarbeiter ins Plaudern. Er erzählte mir, dass die Leute immer schlechter drauf seien. Immer mehr seien wütend und aggressiv. Und: Das sei erst in den vergangenen Jahren so geworden.

Ich fragte ihn nach den Gründen und er kam mit den bekannten Argumenten. Generelle Unzufriedenheit, Zukunftsangst um den Job und vor allem: von der Politik nicht gesehen werden mit den eigenen Problemen. Er holte weit aus, war weder aggressiv noch wütend, doch klar in der Aussage: Es würde niemanden kümmern, wenn es den Menschen hier schlechter ginge als noch vor ein paar Jahren.

Vor ein paar Tagen erlebte ich eine ganz andere Situation, aber mit gleicher Analyse: Über 30 000 Fachkräfte waren in der vergangenen Woche drei Tage lang zu Gast in Leipzig. Sie haben den größten Jugendhilfegipfel in Europa besucht, den Deutschen Kinder- und Jugendhilfetag.

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In den Reden und Vorträgen von Politikern, Wissenschaftlerinnen und Fachkräften war oft zu hören, wie gut es sei, dass diese Fachveranstaltung nun im Osten stattfindet. Wie wichtig solche Ereignisse mit nationaler Strahlkraft für uns in Ostdeutschland sind. Und immer wieder: Es ist anders hier als im Westen.

Natürlich haben wir in den Arbeitsgruppen viel über die Demokratie und Wahlergebnisse in Ostdeutschland gesprochen – und über die Sparmaßnahmen, die uns drohen und unsere Arbeit im Kern beschädigen. Viele erzählten von den großen Umbrüchen in der Eltern- und Großelterngeneration der jungen Menschen im Osten. Wie erschöpft viele davon heute sind und dass die nächsten Umbrüche bevorstehen.

Auch über die Kindertagesstätten haben wir gesprochen. Wir waren einst sehr stolz auf sie. Wir im Osten waren besser aufgestellt, es gab mehr Kitas, eine größere Breite und Bezahlbarkeit und eben auch damit verbunden eine größere Selbstverständlichkeit in der Kinderbetreuung.

Doch nun werden auch bei uns zunehmend Kindertagesstätten geschlossen. Die Gründe sind ähnlich wie im Westen: Geburtenrückgang, klamme Finanzen. Also wird Personal gespart, die Qualität der pädagogischen Betreuung sinkt weiter. Alles wie im Westen. Doch während mir meine westdeutschen Freunde eigentlich schon immer davon berichteten, wie schwer es ist, einen Kita-Platz zu finden oder dass zu wenig Personal die Kinder betreut, ist es für uns hier neu, dass wir uns auch darum jetzt Sorgen machen müssen.

Mit Interesse verfolgte ich daher das Ostdeutsche Wirtschaftsforum 2025 in Bad Saarow. Der sächsische Wirtschaftsminister Dirk Panter sagte: "Als ostdeutsche Länder verfolgen wir gemeinsame Interessen. Wir müssen und werden weiter unsere Stärken bündeln, um gemeinsam die Interessen des Ostens gegenüber dem Bund und der EU klar vertreten zu können." Auch früher habe ich ähnliche Statements gehört, doch diesmal kommen die Forderungen bestimmter, engagierter. Die ostdeutschen Bundesländer scheinen bewusst zusammenzurücken, um miteinander aufzutreten und eine gemeinsame Sprache zu sprechen.

Nun steht die neue Bundesregierung, der "Osten" ist stärker vertreten als bisher und das ist gut so. Die Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) kommt aus dem in Brandenburg gelegenen Luckenwalde. Reem Alabali-Radovan (SPD) ist aus Mecklenburg-Vorpommern und leitet das Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Der jetzige Minister für Umwelt, Klimaschutz, Naturschutz und nukleare Sicherheit ist der Thüringer Carsten Schneider (SPD).

Hinzu kommt Elisabeth Kaiser (SPD), die neue Beauftragte der Bundesregierung für Ostdeutschland. Sie stammt aus dem Wahlkreis Gera - Greiz - Altenburger Land und somit aus einer Region, die wahrlich gebeutelt ist von wirtschaftlichen Einschnitten, finanziellen Herausforderungen und Überalterung. Zwei Jahre vor der Wiedervereinigung geboren, ist sie in einem Geraer Plattenbaugebiet und somit inmitten der Transformationserfahrungen der Ostdeutschen aufgewachsen.

Nach dem Abitur hat sie einen Bachelor in Staatswissenschaften sowie einen Master in Politik- und Verwaltungswissenschaften abgeschlossen. Kurz darauf war sie als Pressesprecherin der thüringischen SPD-Landtagsfraktion bereits im politischen Alltag verankert. 2017 folgte der Einzug in den Bundestag, ab 2023 wirkte sie als Parlamentarische Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen. Neben diesen Themen ist sie zudem mit innenpolitischen Fragen sowie der Weiterentwicklung der sozialen Infrastruktur vertraut. Wie ein roter Faden zieht sich ein Engagement für das demokratische Miteinander durch ihre Vita.

Sie wird immer wieder darauf drängen, dass die Möglichkeiten statt der Probleme Ostdeutschlands im Blick sind und die Region Gestaltung und Weiterentwicklung erfährt. Bessere Löhne, Wirtschaftsförderung, mehr Ostdeutsche in den Chefetagen und eine gute Infrastruktur zählt sie auf ihrer Internetseite als ihre Ziele auf. Dabei sieht sie ihre Rolle als "Sprachrohr" der Ostdeutschen in Berlin. Das Amt ist statt direkt dem Bundeskanzleramt nun dem Bundesfinanzministerium zugeordnet.

Ich hoffe sehr, dass damit auch das politische Ziel einhergeht, finanzpolitisch auf kürzerem Weg auf die Bedarfe des Ostens zu reagieren.

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Kolumne

Christian Kurzke

Christian Kurzke stammt aus Ostdeutschland und arbeitet heute bei der Evangelischen Akademie in Dresden. Anke Lübbert wurde in Hamburg geboren, lebt jedoch seit vielen Jahren mit ihrer Familie in Greifswald. Beide schreiben sie im Wechsel über Politik und Gesellschaft aus ihrer Sicht. Alle zwei Wochen