Sprachstunde - Folge 16: Sollte man noch Wende sagen?
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Podcast "Sprachstunde"
Sollte man noch "Wende" sagen?
Ursula Ott im Gespräch mit der Theologin und Kirchenhistorikerin Katharina Kunter
Tim Wegner
29.09.2021

Der Mauerfall und das Ende der DDR jähren sich bald zum 32. Mal. In vielen Medien wird dann wohl wieder von der "Wende" geschrieben und gesprochen.

Privat

Katharina Kunter

Katharina Kunter ist Professorin für Kirchengeschichte. Unter anderem veröffent­lichte sie das Buch "500 Jahre Protestantismus. Eine Reise von den Anfängen bis in die Gegenwart".

Katharina Kunter, Kirchenhistorikerin und Theologin, findet dieses Wort für die historischen Ereignisse von damals unpassend. "Dieser Umbruch hat Dimensionen wie 1918, wie 1945. Da ist es eine Verharmlosung, so etwas Historisches als 'Wende' zu bezeichnen", sagt Kunter im Gespräch mit chrismon-Chefredakteurin Ursula Ott.

Noch dazu stammt das Wort ursprünglich von SED-Generalsekretär Egon Krenz, dem Nachfolger von Erich Honecker. Krenz sagte in seiner Antrittsrede am 18. Oktober 1989: "Mit der heutigen Tagung des Zentralkomitees werden wir eine Wende einleiten, wir werden vor allem die politische und ideologische Offensive wiedererlangen." Dass er damit nicht die friedliche Revolution in der DDR meinte, ist offensichtlich. "Und das ist genau das, wofür die Leute nicht auf die Straße gegangen sind", sagt Kunter.

Welche Bedeutung "Wende" noch haben kann, zum Beispiel beim Segeln oder Schwimmen, was die Schriftstellerin Christa Wolf von "Wende" hielt und was aus evangelisch-christlicher Sicht dagegen spricht, den Begriff weiter zu verwenden, verrät Kunter in der 16. Folge der Sprachstunde.

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Kommt die Unsicherheit, einen klaren Begriff dafür zu finden nicht auch daher, dass diese besondere Zeit auf die Menschen in den beiden Teilen Deutschlands unterschiedliche Auswirkungen hatte? Dass Menschen es unterschiedliche wahrgenommen haben? Menschen in der damaligen BRD haben keine Revolution erlebt. Für viele war das weit weg und hatte wenig mit ihrem persönlichen alltäglichen Leben zu tun. Menschen in der damalige DDR haben dagegen ein Erdbeben erlebt. Für sie hat sich alles geändert. Vom Essen oder das Auto über die alltäglichen Gewohnheiten und dem Stadtbild bis zu ihren Zukunftsperspektiven. Ich finde es gut, dass Sie den Begriff "friedliche Revolution" stark machen, denn es ist ja immer auch die Frage, wer Geschichte definiert.