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Vor kurzem "flatterte" ein Newsletter in mein Mail-Postfach: Er kam von der Sächsischen Zeitung und informierte mich darüber, dass es von nun an eine "gemeinsame Sachsen-Redaktion" der SZ und der Leipziger Volkszeitung geben würde. Im Weiteren wurde mit blumigen Worten von Synergien, einer größeren medialen Schlagkraft und vielen anderen angeblich positiven Dingen wie der engeren Zusammenarbeit der beiden Redaktionen geschrieben, was bestimmt alles stimmt. Allerdings stand da nichts von Personal- und Ressourcenabbau…
Denn was bedeutet dieses Zusammenlegen tatsächlich? Weniger Mitarbeitende, weniger Journalistinnen und Journalisten vor Ort heißt eben auch immer, weniger lokale Berichterstattung. Die Zeitungen werden uninteressanter für ihre Abonnent*innen, immer mehr kündigen, immer weniger Geld ist im Topf, immer mehr wird gespart. Ein Teufelskreis.
Mir kommt eine kürzlich gelesene Studie des Journalisten Maxim Flößer in den Sinn. Er hat für seine Masterarbeit Regionen und Städte untersucht, in denen es keine Lokalzeitungen mehr gibt. Das Ergebnis: In Gemeinden ohne Lokalzeitung wurde häufiger für die AfD gestimmt als in vergleichbaren Gemeinden mit mindestens einer lokalen Zeitung. Er sammelte seine Daten für die Studie in Baden-Württemberg.
In Regionen, in denen die vierte Gewalt verschwindet, Flößer nennt sie "Nachrichtenwüsten", gewinnen andere Informationskanäle an Bedeutung. Sie sind ein Einfallstor für populistische Akteure, die Unzufriedenheit schüren oder mehren wollen. Gleiches gilt für Akteure und Parteien, die die bestehende Balance unserer demokratischen Gesellschaft mit Unwahrheiten und Ausgrenzungen aushebeln wollen.
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Es gibt Regionen in Sachsen, in denen konsumieren große Teile der Bevölkerung nur noch sogenannte alternative Medien. Das sind Blätter, Blogs, lokale TV-Sender, YouTube-Kanäle etc. Dort findet keine Diskussion statt. Verbreitet wird die "eine" Meinung der Macher, die dann auf die "eine" Meinung der Nutzenden stößt. Und alle fühlen sich so in ihrer Meinung bestätigt. Meinungsmache eben.
Wie das im Einzelnen aussehen kann, lässt sich gut in Bautzen verfolgen, wo das Recherchekollektiv "15Grad" einem lokalen Bauunternehmer seit Monaten vorwirft, die öffentliche Meinung massiv zu beeinflussen – und sich nun vor Gericht mit ihm streiten muss.
Und was heißt das alles für mich?
Neulich kam ich an einer Gruppe Jugendlicher vorbei. Es war bereits dunkel und obwohl es ziemlich kalt war, saßen sie draußen, gemeinsam auf einer Bank, direkt unter der Straßenlaterne. Im Vorbeilaufen nahm ich wahr, dass sie gemeinsam auf ein Smartphone schauten und ich konnte hören, wie sie laut Nachrichten schauten. Allerdings waren die Nachrichten anders, als ich sie kenne. Sie waren "peppig" gemacht, mit Hintergrundmusik hinterlegt und kurz und knackig formuliert. Vermutlich schauten sie sich einen Kanal auf YouTube oder TikTok an.
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Also ich zu Hause war, dachte ich über mein "Zeitungsarchiv" nach, das ich seit Jahren hege und pflege und immer mal im Rahmen meiner Tagungen für die Jugendarbeit heraushole. Mein Ziel war immer, junge Menschen zu befähigen, dass sie zwischen einem "schlechten" und einem "guten" Text unterscheiden können. Dass sie lernen, wo wird eine Meinung hinter einer Nachricht versteckt? Wo vielleicht ein reiner Meinungsartikel zu einer Tatsache aufgebauscht? Denn dass auch in unseren traditionellen Medien nicht immer nur sachlich berichtet wurde und wird, das wissen wir seit langem.
Doch mittlerweile sind viele Zeitungen, gerade die Lokalredaktionen, viel bunter geworden, lassen unterschiedliche Meinungen zu Wort kommen und beziehen ihre Leser*innen mit ein. Nun leiden ausgerechnet diese Lokalredaktionen, die so wichtig für die Menschen vor Ort sind, unter den Sparmaßnahmen. Die so unglaublich wichtige Meinungsbildung findet nicht mehr statt.
Allerdings – beim Blick auf die alten, manchmal schon vergilbten Zeitungsartikel wurde mir klar: Damit allein kann ich heute niemanden mehr mitreißen oder überzeugen. Ich werde mir weitere Mittel überlegen müssen.