Am Ziel der Reise
Mein stetiger Standortwechsel tat mir von Herzen gut
Lena Uphoff
21.03.2022

Seit mehr als 40 Jahren bin ich Journalist. Wenn ich auf diese Zeit zurückblicke, geht mir durch den Kopf, wie sich meine persönliche Schreib- und Recherchekultur verändert hat. Wer weiß denn noch, was Bleisatz und was ein "Metteur" war? Ich war Lokalredakteur, Kulturjournalist und Korrespondent in einer Bundeshauptstadt namens Bonn, bevor ich nach Hamburg ging. Dort leitete ich zunächst die Wochen­zeitung "Deutsches Allgemeines Sonntagsblatt" und gründete in der Jahrtausendwende chrismon.

Lena Uphoff

Arnd Brummer

Arnd Brummer, geboren 1957, ist Journalist und Autor. Bis März 2022 war er geschäftsführender Herausgeber von chrismon. Von der ersten Ausgabe des Magazins im Oktober 2000 bis Ende 2017 wirkte er als Chefredakteur. Nach einem Tageszeitungsvolontariat beim "Schwarzwälder Boten" arbeitete er als Kultur- und Politikredakteur bei mehreren Tageszeitungen, leitete eine Radiostation und berichtete aus der damaligen Bundeshauptstadt Bonn als Korrespondent über Außen-, Verteidigungs- und Gesellschaftspolitik. Seit seinem Wechsel in die Chefredaktion des "Deutschen Allgemeinen Sonntagsblatts", dem Vorgänger von chrismon im Jahr 1991, widmet er sich zudem grundsätzlichen Fragen zum Verhältnis Kirche-Staat sowie Kirche-Gesellschaft. Seine besondere Aufmerksamkeit gilt kulturwissenschaftlichen und religionssoziologischen Themen. Brummer schrieb ein Buch über die Reform des Gesundheitswesens und ist Herausgeber mehrerer Bücher zur Reform von Kirche und Diakonie.

Ich habe in meiner Kolumne "Was ich notiert habe", später "Brummers Welt", meine Reise durch die Medien­landschaft reichlich beschrieben. Ebenso wissen meine Lesenden, dass ich dabei vom Bodensee durchs Rheinland bis Hamburg und dann nach Frankfurt am Main unterwegs war.

7 Wochen Ohne entstand in Hamburg

Die Vielfalt meiner Aufgaben und der stetige Standortwechsel belasteten mich nie. Ich bin in Konstanz am Bodensee aufgewachsen. Dort spricht man alemannisch. Bei den Schwaben im Nordschwarzwald und in Stuttgart habe ich erlebt, was "Pietismus" ist. Und im Rheinland wurde mir bewusst, dass dort für Gläubige aller Konfessionen der "Karneval dat wichtigste Fest" im Jahr war. Dies habe ich an meinem nächsten Wohnsitz den "Hanseaten" zu vermitteln versucht. Die reagierten großteils mit gesenkten Mundwinkeln und kommentierten: "Ach ja, das ist das komische Zeug, das Ende Februar und Anfang März die Fernsehprogramme beherrscht."

Es hat mich schon sehr gewundert, dass ausgerechnet in Hamburg die evangelische Fastenaktion "7 Wochen Ohne" entstand. Je näher ich diesem Projekt kam, desto deutlicher erkannte ich, dass in ihrem Verständnis die Fastenzeit kein siebenwöchiges Wetthungern war, sondern eine Zeit der Reflexion, des christlichen Nachdenkens über den Umgang mit den Nächsten.
Ich liebe Deutschland wegen seiner Vielfalt. Und ich reise von den Alpen bis zur Nordseeküste, um sie zu er­leben. Ich mache Urlaub in Städten wie Görlitz, Aachen, Freiburg oder Kiel. Und überall habe ich mit Freuden festgestellt, dass Formen des Glaubens heutzutage in Ökumene gelebt werden, wo sie dereinst Begründung für Feindschaft und Blutvergießen waren.

Da ich als Bub katholischer Messdiener war und mich die Hinrichtung von Jan Hus während des Konstanzer Konzils (1414 bis 1418) auf den Weg zur Konversion brachte, musste ich lernen, als bewusster Protestant mit Verschiedenheit zu leben. Für mich heißt "evangelisch", sich am Evangelium zu orientieren und nicht an den Interessen von Herrschenden. Und ich bin sehr beglückt, dass in der römisch-katholischen Kirche derzeit mehr und mehr Menschen, darunter auch Bischöfe, diesen Weg öffentlich unterstützen.
Wie wichtig diese Entwicklung für die lutherischen und reformierten Geschwister ist, bleibt nicht verborgen. Und mich begeistert, dass unter den zahlreichen chrismon-Lesenden die Zahl der katholischen Freunde mehr als ein Drittel ausmacht.

Dies ist die Letzte meiner Kolumnen, die Sie hier lesen und erleben. Aus gesundheitlichen Gründen ziehe ich mich aus dem aktiven Mitwirken an meinem geliebten Magazin zurück. Ihnen wünsche ich viel Glück und viel Segen!

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Sehr geehrter, lieber Herr Brummer,
heute Morgen kam mit der SZ das chrismon.
Ihre Kolumne ist für mich seit Jahren das Erste , was ich daraus lese und nun
soll sie die letzte sein? Ich möchte Ihnen meinen großen Dank aussprechen für
all die Jahre, die Sie mich damit anregten und schmunzeln machten. Ich werde
Ihren Text sehr vermissen, Ihre Nähe zum Menschen, wie man es selten findet.
Die Ökumene, Ihr Thema wird hier in Vaterstetten und Baldham, Vororte von
München lebhaft gelebt in Konzerten und Gottesdiensten.
Ihnen alles Gute für die Gesundheit und viel Segen!

Sehr geehrter Herr Brummer!
Auch Sie werden hoffentlich das Schreiben nicht lassen. Es muss auch nicht vorrangig darum gehen, die Welt von den eigenen Ansichten zu überzeugen. Das wäre zwar ideal, aber auch Ideale habe ihre Tücken. Es gibt noch ein weiteres positives und ganz persönlich formuliertes "Altersergebnis". Ich zumindest, schreibe auch für mich. Wenn Andere meine Meinung teilen, umso schöner. Besser sei dahingestellt. Die Schrift ist authentischer als Gedanken und Worte. Was "herumschwirrt" wird durch das Wort gefangen. Die Schrift ordnet, sollte der gedanklichen Logik folgen und der Inhalt ist umgehend wiederholbar. Damit überzeuge ich mich nachprüfbar selbst (und bei Bedarf auch Andere) wesentlich besser, als es Tagträume je könnten. Denn schliesslich ist ja jede überzeugende Formulierung die eigene "Wahrheit", auf die ich auch für mich selbst nicht verzichten möchte. Es gibt nicht mehr viele Foren, die dazu animieren, öffentlich zu formulieren. Anonymität und Missbrauch haben nahezu alle Foren zerstört. Herzlichen Dank für Ihre Arbeit . Ich wünsche Ihnen, dass Ihre Gedanken-, Schreib- und Tatkraft den Tücken des Alter widerstrebt. Mit herzlichen Grüssen Ockenga.

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Sehr geehrter Herr Brummer,
Als Chrismon Leserin werde ich Ihre Beiträge sehr vermissen. Ich bin froh, dass Sie damals Chrismon gegründet haben. Ich weiss, dass Sie eine große innere Entwicklung vollzogen haben, und dass sie immer wieder "alte" Positionen geräumt haben, wenn Sie andere überzeugt haben. Undogmatisch, neugierig, offen denkend. Wie schön, wie selten! Mögen Sie nun von zuhörenden Ärzten unterstützend begleitet werden! Vielen Dank, dass Sie Ihre Gedanken mit mir/uns geteilt haben.
Alles Gute und herzliche Grüße
Inga Langbein

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Sehr gut und beeindruckend dieser kurze Abriss eines "Laufes". Meine Hochachtung. Durch die Gegensätze vom Bodensee, über den Nordschwarzwald bis nach Hamburg werden Sie ja zur Genüge auch die religiösen und politischen Motivationen kennen, die nach wie vor das gesellschaftliche Leben und die Politik, wenn auch unbemerkt und doch nachhaltig, im Hintergrund beleben und gestalten. Auch ein „Heide“ wird nicht vermeiden können, von seiner Heimat und deren Werte-Inhalte beeinflusst zu werden. Obwohl es die Öffentlichkeit nicht wahr haben will, sehe ich doch genügend Zeichen für den Einfluß des Protestantismus und des Katholizismus. Wenn sich Letzterer weitgehend aus diversen Gründen aus der politischen Öffentlichkeit (nur vorübergehend?) zurückgezogen hat, geschieht das aus Opportunismus. Aber wir haben ja von 33-41, bzw. bis 45 erlebt, wie federfühend der Nutius war und wie "harmonisch" Kirchen und Politik verbandelt waren

Nach wie vor und immer mehr gilt (für mich), dass sich der Protestantismus nicht nur für den Glauben (immer weniger?), sondern in den letzten Jahrzehnten besonders auch für Welt und Politik verantwortlich fühlt. Während der Katholismus, mit sich selbst beschäftigt, zur Zeit eher nur den Glauben zum vorrangigen Ziel hat und nicht an Vermögen verlieren will. Im Norden der Ernst des Lebens und im Süden die Freude am Leben? Wäre die Bank Ambrosiano und der Mißbrauch des Peterspfennig zu Luther-Zeiten denbar gewesen? Diese Ansicht erzeugt Widerspruch, auch wenn der besondere Einfluss (und umgekehrt) der Parteien (SPD u. GRÜNE) auf den Protestantismus (EKD!) offensichtlich ist. Es entsteht der Eindruck, dass mangels Überzeugung das Paradies als jenseitiges Ziel mit dem Klima-Ziel ein Pendant im Diesseits gefunden hat. Damit wäre dann auch mit einer zeitlichen Abfolge (Lebenserwartung >> Zukunft der Hinterbliebenen) wider Religion, bzw. Kirchen mit Politik verbunden. Für Macht, Ansehen und Selbstbetätigung sowohl im Diesseits als auch im Jenseits gut verständlich. Schon genial, wie man die Religion mittels Verantwortung für die Welt mit der Politik überzeugend verbinden kann.

Es gibt noch eine andere Unterscheidungsmöglichkeit. Der Protestantismus war ursprünglich vorrangig nur dem Mißbrauch des Glaubens und ohne besondere Macht- und Vermögensziele im Leben zugewandt. Der Calviismus ist eine So Dagegen hat der „römische!“ Katholismus vermutlich in früheren Zeiten nicht nur nebenbei den Glauben als Instrument zur Sicherung von Macht und Vermögen zweckentfremdet. Wären jetzt und zu Luthers-Zeiten eine Bank Ambrosiano (enorme Spekulationsverluste) und der Mißbrauch des Peterspfennig im Protestantismus denkbar gewesen? So pauschal wird Widerspruch erzeugt. Aber es wäre schon eine Diskussion (Weber!) wert, hierüber zu debattieren.

Wie im Süden nach dem Gottesdienst nebenan im Wirtshaus mit dem Geistlichen zu tafeln, war und ist im Protestantismus undenkbar. Im Süden die farbenfrohen Umzüge, im Norden der schwarze Kittel. Für diese Charakterisierung, die beileibe keine Schwarz/Weiß-Malerei sein soll, wird es massiven Widerspruch geben. Aber wer vom Bodensee über den pietistischen Schwarzwald (Ostfriesland ebenso), das Rheinland und dann den Norden kennen gelernt hat, könnte diese Hintergrundsicht bestätigen. Mißverständnisse nicht ausgeschlossen.

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Der Einfluss von Calvin ist immer noch auch politisch wirksam. Calvin hat es mit Rockefeller gewollt. Reichtum und Erfolg zum Ansehen Gottes und dabei den Nächsten nicht vergessen. Zwar schon lange her, aber mit dieser Motivation sind nach wie vor in den USA die großen Schenkungen und Stiftungen zu verstehen. Protestantisch?: Sei gut auf Erden, damit dir das Himmelreich nahe ist. Im Katholizismus galt vor und nach Luther eine andere Rangfolge der religiösen Werte. Man konnte sein Seelenheil kaufen. Über die Anbetung der Heiligen und Maria war der Zugang zum Heil auch für die erleichtert oder gar möglich, die nicht so vorbildlich und altruistisch leben wollten. Zum ewigen Heil war die Kirche der einzig vermittelnde Partner. Den regelmäßigen Besuch der Gottesdienste als Beweis. Durch Schenkungen und Opfer an die römische Heilige Kirche (sie ist Menschen-Werk und war noch nie heilig) kann bis jetzt das Wohlwollen der Kirche und ihrer Bischöfe (Fürbitte!) erreicht und damit der Gnadenstatus erhört und erhöht werden. Die Einen sollen und wollen vorbildlich leben und die Welt im Sinne der Schöpfung erhalten (so weit wie möglich), um aus dieser Leistung in Gnade ewig zu leben. Dazu gehört nach neuzeitlicher Auslegung auch die Sorge um die Welt, die Zukunft und das Klima. Die Anderen wollen auch den Nächsten nicht übersehen, aber sonst ohne einen zu großen mörderischen Ernst des Lebens in froher Erwartung leben und leben lassen. Sie hoffen, dass die Angst um das Seelenheil mit Unterwürfigkeit, Anbetung und Zahlung befriedet und das Schlimmste abgewendet werden kann.

Nächstenliebe und Spenden fanden so den Anfang. Dem wird mit Sicherheit widersprochen. Aber unsere westlichen Werte haben aus diesen Quellen ihren Ursprung und ihre Berechtigung. Wenn man, losgelöst von aller Parteipolitik und als Religionsloser, in die verborgenen Winkel der anerzogenen religiösen und dennoch weltlichen Werte hineinhört und sieht, kann man diese Zusammenhänge sehen und begreifen. Kürzlich Fr. Neubauer in CRISMON : "...Ich glaube nicht. Ich bin (aber) evangelisch sozialisiert. Wurzeln können auch aufgepfropfte Blätter nähren, Wenn man denn will, von Max Weber die Protestantismusthese lesen.

LEIDER HABE ICH TEILWEISE DOPPELT FORMULIERT. MIT EINEM MANUSKRIPT HÄTTE ICH DAS VERHINDERN KÖNNEN. DER BILDSCHIRM RAUBTE MIR DIE ÜBERSICHT. EIN TROST: BESSER ZWEI MAL GESCHRIEBEN ALS EINMAL UNTERLASSEN. MfG Ockenga.

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Sehr geehrter Herr Brummer,

erst einmal möchte ich mich für ihre Kolumnen bedanken. Sie sind und waren ein guter Mittler und Verwalter von Crismon. Das ihre Tradition gut fortgesetzt wird, davon bin ich überzeugt.

Ich wünsche ihnen am Ziel ihrer Reise, egal an welchem Standort sie verweilen viel Glück und Lebensfreude und eine gute Zeit.

Mit freundlichen Grüßen und großer Anteilnahme an Crismon dem evang. Magazin, das von mir als kath. Christ gern gelesen wird.

Wolfgang Timmer