Die Entscheidung - Ulrich Zwingli
Die Entscheidung - Ulrich Zwingli
Marco Wagner
"Die freie Wahl der Speisen"
Die Predigt Ulrich Zwinglis nach einem Wurstessen in der Fastenzeit löst in Zürich die Reformation aus.
Lena Uphoff
22.10.2019

Vorgelesen: Die Entscheidung "Die freie Wahl der Speisen"

Ulrich Zwingli war ein "Leutpriester" im wahrsten Sinne des Wortes. Schon früh hatte der hochbegabte Knabe, geboren 1484 in Wildhaus, bemerkt, dass sich sein Talent in der Verbindung zwischen intellektueller Analyse und deren Vermittlung unter die Leute zeigte. Diese Qualität offenbarte er bereits als Pfarrer und Pilgerbetreuer im bekannten Wallfahrtsort Kloster Einsiedeln, wo er immer wieder Front gegen den knechtenden Umgang mit Menschen und den Missbrauch kirchlicher Ordnung machte.

Der Rat der Stadt Zürich fand es gut und richtig, was Zwingli predigte, und engagierte ihn 1519 als Leutpries­ter am Großmünsterstift Zürich. Er las humanistische Schriften und mit großer Freude die Texte eines Professors aus Wittenberg namens Martin Luther. Zwinglis freie Gedanken wie seine offenen Worte freuten auch den Drucker Christoph Froschauer. Die beiden wurden Freunde. Und ihre Beziehung sorgte für den Auslöser der Reformation in Zürich 1522: Ein Wurstessen nach Aschermittwoch im Hause Froschauers verursachte ­einen heftigen Streit in der kirchlichen ­Szene Zürichs. Zwar hatte der an­wesende Zwingli selbst keine Wurst verzehrt. In seiner Fastenpredigt mit dem Titel "Die freie Wahl der ­Speisen", die er am 23. März 1522 hielt, aber unterstrich er, dass der Drucker nicht sündig gehandelt habe, als er seinen Gästen Fleischmahlzeiten anbot. Nach Ostern publizierte Froschauer die Predigt tausendfach.

­Jeder Christ könne selbst entscheiden, wann, wo und was er esse oder trinke

Zunächst verwies Ulrich ­Zwingli darin auf die selbst in der katholischen Kirche geltende Ausnahmeregelung, nach der hart arbeitende Leute Fastenvorschriften missachten dürften. Dann bezog sich Zwingli ähnlich wie Martin Luther in seiner Schrift von 1520 auf die Freiheit des Christen. Nur was aus den Worten und Taten Jesu zu lesen sei, könne verbindlich in der Kirche werden. Ein Verbot von Wein und Fleisch sei lediglich eine Erfindung von Bischöfen. ­Jeder Christ könne selbst entscheiden, wann, wo und was er esse oder trinke.

Denjenigen, die sich auf die persönliche Entscheidungsfreiheit be­riefen, riet der Reformator allerdings auch, keine Überheblichkeit jenen gegenüber zu zeigen, die sich an die Verbote halten würden. Wer mit tradi­tionell Fastenden am Tisch sitze, sollte ihnen nicht mit dem Zeige­finger erklären, dass sie auf dem falschen Weg seien.

© W-film

Mit Luthers und Zwinglis Haltung, dass Christen selbst über ihren Glauben und seine Konsequenzen entscheiden sollen, beginnen die "Individualisierung" und die ­plurale Gesellschaft. Ausdrücklich bezieht sich Zwingli auf die Schriften des Apostels Paulus. Der beschreibtdie unterschiedlichen Kulturen von ­Juden- und Heidenchristen innerhalb der frühchristlichen Gemeinden. Was den einen als unverzichtbares Gebot erschien, sei den anderen völlig fremd gewesen. Dennoch sei aus der Gemeinschaft der Unterschiedlichen die eine Gemeinde Christi gewachsen.

Zwingli unterstützte die Vertreibung und Ermordung der Täufer

Gesellschaftlicher Druck und eige­ne Fehleinschätzungen sorgten allerdings dafür, dass Zwingli selbst alten Freunden gegenüber wenig Gnade walten ließ. So unterstützte er die Vertreibung und Ermordung der sogenannten Täufer, unter ihnen sein alter Gefährte Felix Manz. Die Täufer lehnten mit Hinweis auf die Taufe des erwachsenen Jesus die Kindertaufe als unbiblisch ab. Was Zwingli zu ­ihrem Gegner machte, war ihre Ablehnung bürgerlicher Ordnung. Der Züricher Reformator wollte und konnte nicht auf den Rückhalt der in Zürich herrschenden Patrizier verzichten.

Zwinglis Selbstverständnis, dass ein Pfarrer als Teil der Gemeinschaft auch als Soldat zu kämpfen habe, führte zu seinem frühen Tod. Ulrich Zwingli starb 1531 mit 47 Jahren im Zweiten Kappeler Religionskrieg zwischen den katholischen und re­formierten Kantonen der Schweiz.

Infobox

"Zwingli - der Reformator"

Der Spielfilm startet am 31. Oktober in den deutschen Kinos. Erstmals bringt ­Regisseur Stefan Haupt die Geschichte Zwinglis auf die Leinwand, die Hauptrolle spielt Max Simonischek. Das große Historiendrama über den Kampf um eine neue Weltordnung hat in der Schweiz bereits 220 000 Zuschauer begeistert. Kein Wunder: Zwinglis Ideen einer sozialen Gesellschaft sind heute ­­ so aktuell wie damals.

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Dem Beitrag "Die freie Wahl der Speisen" zu Ulrich Zwingli in 11.2019 sind in Ihrer Zeitschrift einige Zeilen "Zwingli - Der Reformator" zum derzeit in den deutschen Kinos zu sehenden Spielfilm "Zwingli - Der Reformator" beigefügt: Hierin wird betont "Das große Historiendrama über den Kampf um eine neue Weltordnung hat in der Schweiz bereits 220 000 Zuschauer begeistert." Um diese Begeisterung zu teilen, muss man bereit sein, die Entscheidung zu begrüßen, diesen Film in der vorgestellten Fassung einer Zielgruppe anzubieten, die auch Kinder und Jugendliche umfasst. Ich habe Zweifel, ob es notwendig ist, Gewaltanwendung so ausführlich darzustellen, wie dieses in diesem Film geschieht (Tod durch Verbrennen und Ertränken). Einen diesbezüglichen Hinweis in der Präsentation des Films in Ihrer Zeitschrift hätte ich mir (gerade auch als begleitender Großvater) gewünscht.
Mit freundlichen Grüßen
W.-U- Prigge