Man kann der neuen Bundesregierung nicht genug auf die Finger schauen. Der Koalitionsvertrag mag gut sein. Darin ist von einer abrüstungspolitischen Offensive die Rede, von einem atomwaffenfreien Deutschland, von der internationalen Ächtung letaler autonomer Waffen, von einer restriktiveren Rüstungsexportpolitik. Gute Vorsätze. Nur: Was wird daraus?
Da steht auch: "Wir erteilen keine Exportgenehmigungen für Rüstungsgüter an Staaten, solange diese nachweislich unmittelbar am Jemen-Krieg beteiligt sind." Keine zwei Wochen nach dem Koalitionsvertrag genehmigte der Bundessicherheitsrat der noch amtierenden alten Bundesregierung den Verkauf von drei Kriegsschiffen und 16 Luftabwehrsystemen an Ägypten. Ägypten ist Kriegspartei im Jemen-Krieg. Und Olaf Scholz, als Bundesfinanzminister Mitglied im Bundessicherheitsrat, trug den Deal mit. Allein damit verdoppelte sich der Wert aller Rüstungsexporte 2021 auf über neun Milliarden Euro, ein Allzeitrekord.
Burkhard Weitz
Eine sozialliberale Koalition hatte 1971 den Rüstungsexport eingedämmt: Lieferungen nur an Nato-Staaten. An alle anderen: keine Kriegsschiffe, Kampfflugzeuge, Panzer, vollautomatischen Handfeuerwaffen. - Pistolen, Revolver, Jagd- und Sportgewehre, Radar- und Funktechnik und Explosivstoffe nur nach Genehmigung, aber nie an Kriegsparteien. Der langjährige Außenminister Hans-Dietrich Genscher hat mal gesagt: "Die deutsche Zurückhaltung in der Rüstungsexportpolitik hat sich auch rückblickend als richtig erwiesen, und man sollte daran festhalten."
Heute lässt sich Rüstung genehmigungsfrei auch an alle EU-Staaten und an die "gleichgestellten Staaten" Australien, Neuseeland, Japan und die Schweiz liefern. Trotzdem sei der Export an andere, sogenannte Drittstaaten, zur Regel geworden, klagte die Gemeinsame Konferenz Kirche und Entwicklung Mitte Dezember. Exporte, die eigentlich verboten gehören.
Es sollte niemanden wundern, wenn jetzt in Kasachstan mit deutschen Gewehren auf Demonstranten geschossen wird
Klar, transnationale Waffenschmieden wie die der deutsch-französischen Rüstungszusammenarbeit machen es der Bundesregierung schwer, Rüstungsexporte zu kontrollieren. Dennoch: Wer will IS-Terroristen zusehen, wie sie mit deutschen und belgischen Waffen einen Völkermord begehen und ganze irakische Dörfer ausradieren? Es sollte niemanden wundern, wenn jetzt auch in Kasachstan mit deutschen Sport- und Jagdgewehren auf Demonstranten geschossen wird. Jahr für Jahr exportieren wir sie im Wert von ein bis zwei Millionen Euro dorthin.
Auch in Frankreich regt sich Widerstand gegen solchen Irrsinn. Französische Medien beklagen längst den Einsatz deutscher und französischer Panzer, Haubitzen, Kriegsschiffe und anderem Gerät im Jemen-Krieg.
Ja, es geht. Politiker können auch gegen den Druck der Waffenlobbyisten Rüstungsexporte beschränken. Sigmar Gabriel hat es bewiesen. Mehrmals widersetzte er sich erfolgreich Saudi-Arabiens Versuch, Panzer und Bauteile für eine Gewehrfabrik aus Deutschland zu beziehen. Jetzt muss sich zeigen, wie viel Mumm die neuen Kabinettsmitglieder haben. Und ob sie, wenn es drauf ankommt, auch dem Kanzler bei Rüstungsexporten die Stirn bieten werden.