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Wie lange ist „neu“ eigentlich „neu“? Bis „neu“ länger andauert als „alt“? Ja klar, so kann man rechnen. 1949 wurden BRD und DDR gegründet, 1990 wurde die DDR aufgelöst und es entstanden die „fünf neuen Bundesländer“. Und die müssen jetzt immer, immer weiter „die neuen Bundesländer“ heißen. Mindestens so lange, bis die „neue Zeit“ länger dauert als die Zeit vorher. Das wären dann heute noch mindestens 17 Jahre, bis Sachsen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg, Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern das Zwangsattribut „neu“ endlich ablegen dürfen.
Stellen wir uns vor, das vereinigte Deutschland wäre eine Patchworkfamilie. Mama heiratet neu, Papa heiratet neu. Im ersten Jahr sagen alle, völlig zu Recht, „Sabine hat einen neuen Mann“ oder „die Kinder wohnen jetzt bei Papa und seiner Neuen“. Aber wenn alles gut geht, sagen die Freunde irgendwann: Die Kinder sind diese Woche bei Joachim und Sabine. Sabine kocht vegetarisch, Joachim nervt und Michael kann unheimlich gut Fußball spielen mit den Jungs. Im Lauf der Zeit tritt der Mensch in den Vordergrund und nicht sein Neusein.
So wünscht man sich das auch für Deutschland. Viele Abiturienten zieht es nach Ilmenau in Thüringen. Obwohl es in den „neuen Ländern“ liegt, wie „Der Spiegel“ schreibt. Das Wort „neu“ ist überflüssig, denn: Ilmenau liegt zentral, hat Spitzennoten in den Rankings und bezahlbare Mieten. Die Studierenden haben die Wende nicht mehr erlebt – für die ist Ilmenau weder alt noch neu, sondern so praktisch wie Ingolstadt oder Lüneburg.
Oder die Studie, die angeblich belegt, dass in „den fünf neuen Ländern“ der Zusammenhalt schlechter ist. Schreibt die „Süddeutsche“. Dabei wohnen in den „neuen“ Ländern schon viele „alte Wessis“, die vielleicht den Schnitt versaut haben. Und nette, sozial engagierte Ossis sind nach Köln und Hamburg gezogen. Nette und Doofe gibt es überall. Hüben wie drüben. Das ist – nichts Neues. Und kommt in den besten Familien vor.