Was machen Sie?
Leonhard Hechenbichler: Ich begleite auf dem Flügel einen Chor, in dem psychisch Erkrankte singen. Ich arbeite Harmonien aus und unterstütze den Chorleiter dabei, die Mitglieder aufzubauen und musikalisch zu fördern.
Wie sind Sie dazu gekommen?
Über die Musik kenne ich die Vorständin des Vereins für psychisch Kranke in Starnberg, sie hat mich zu einer Osterfeier mitgenommen, zu der dieser Chor auftrat. Sie hatten keine Begleitung, da habe ich mich spontan angeboten. Es funktionierte super, zur Freude aller! Seitdem bin ich dabei, auch wenn ich zu jeder Probe 80 Kilometer fahren muss.
Ein ganz schöner Aufwand! Warum machen Sie das?
Wir haben einander liebgewonnen. Die instrumentale Begleitung beflügelt die Singenden, sie sind so motiviert, sich weiterzuentwickeln. Für mich sind die Treffen eine riesige Inspiration, ich gehe schon nicht mehr ohne Notizheft hin, damit ich ja keine Idee vergesse. Für mich als Pianisten auch interessant: Sie haben einen echten Steinway, der Tastenanschlag ist prügelhart, ein gutes Training für meine Finger. Auch meinem Leben geben die Proben Rhythmus, auch ich finde Anschluss. Ach ja, und ich liebe es, die spröden evangelischen Musiksongs poppig aufzumöbeln.
Wie viel Zeit stecken Sie hinein?
Alle zwei Wochen im Prinzip den ganzen Dienstag – durch die lange Anfahrt. Ich bekomme dafür eine kleine Aufwandsentschädigung. Dazwischen übe ich natürlich und bin geistig viel bei dem Thema.
Was kann schwierig sein?
Wenn ich mit zu viel Einsatz die Leute zu etwas führen will. Man muss sehr sensibel sein, erspüren, wie viel Info die Leute vertragen. Ich will ja nicht belehren, sondern die Betroffenen ermutigen.
Gibt es manchmal Krisen?
Dafür ist extra noch eine Dame vom Sozialpsychiatrischen Dienst da, die ihre Arbeit sehr gut macht, sie ist sofort da, wenn bei jemandem die Stimmung kippt, holt ihn aus der Gruppe und kümmert sich. Ich an meinem Klavier bekomme das dadurch oft erst hinterher mit.
"Es ist ein besonderes Gefühl, wenn wir beim Musizieren allmählich zu einer Einheit finden"
Leonhard Hechenbichler
Welche Eigenschaften sollte man mitbringen?
Man sollte sein Instrument sicher beherrschen, am besten auch improvisieren können. Man muss sehr sensibel sein und erspüren, was gerade in der Luft liegt. Mitfühlende Kommunikation ist wichtig, Gelassenheit und Geduld. Definitiv hinderlich ist ein großes Ego.
Was haben Sie für sich gelernt?
Ich habe mich schon vorher für meinen Beruf als Pädagoge mit gelungener Kommunikation beschäftigt. Diese Chorgruppe wirkt wie ein Katalysator, weil die Menschen viel stärker spiegeln, wenn man eine Grenze übertreten hat. Manchmal gehe ich im Überschwang zu weit. Das ist in den zwei Jahren viel besser geworden, ich lerne zu akzeptieren, die Leute zu nehmen, wie sie sind, und das Beste draus zu machen. Es gibt im Chor eine Dame, die wunderbar Querflöte spielt, daraus hat sich ein kleines Projekt ergeben. Wir studieren zusammen Stücke ein. Ich wollte sie immer wieder dazu bewegen, zu improvisieren, bis sie einmal deutlich sagte: "Nein, ich will das spielen, was auf dem Notenblatt steht." Ich nehme hin, dass sie für diesen Schritt nicht bereit ist.
Was ist schön?
Dieses besondere Gefühl, wenn wir beim Musizieren allmählich zu einer Einheit finden. Gemeinschaftsgefühl erlebe ich in vielen Formen: Wenn jemand Geburtstag hat, stellen wir uns um ihn herum und singen ihm das Lied, das er sich wünscht. Herzerwärmend! – Und der Applaus zu unseren Auftritten, der macht uns alle froh und stolz.
Was hätten Sie nicht erwartet?
Die Bandbreite und Qualität des Liedmaterials, das uns zur Verfügung steht. Wir haben bewanderte Chormitglieder, die uns aus dem großen Stapel die Stücke aussuchen. Aber auch, so herzlich angenommen und akzeptiert zu werden. Das tut auch mir gut.
Welches ist Ihr Lieblingslied?
Der Chor singt wunderschöne Weihnachtslieder aus dem österreichischen Alpenraum, die ich nicht kannte. Zum Beispiel: "Still, o Himmel". Das ergreift mich sehr.



