Schon mein ganzes erwachsenes Leben bin ich auf der Suche nach innerer Ruhe. Ich möchte Ihnen hier von dieser Suche erzählen. Aber erst einmal muss ich das Fenster schließen. Denn unser Nachbar hat gerade wieder seinen verdammten Laubbläser angeworfen. Er könnte den winzigen Blätterhaufen, den ich da jetzt sehe, in wenigen Minuten zusammenharken. Aber nein: Er pustet das Zeug lieber unter infernalischem Dröhnen in irgendeine Ecke seines Grundstücks. Ich könnte durchdrehen. Das geht mir oft so.
Vieles in dieser Welt nervt mich wahnsinnig. Erst gestern bin ich in einer autofreien Einkaufsstraße fast von einem dieser E-Rollerfahrer umgenietet worden. Warum fährt der Kerl da? Es ist verboten, verdammt noch mal. Ich will mich nicht ärgern. Aber so was macht mich wahnsinnig. Irgendwann beruhige ich mich dann wieder. Spätestens, wenn meine weise Frau sagt: "Jetzt reg dich nicht auf. Guck mal, die Sonne scheint. Und du hast es ja überlebt."
Sie ist eine Alltagsheilerin. Aber auch sie ist mit ihrem Latein am Ende, wenn wir Nachrichten gucken oder Zeitung lesen. Das macht uns beide zunehmend fassungslos. Man hört so gut wie nichts mehr Positives. Die Welt ist aus den Fugen geraten. "Zeitenwende" hört man überall. Kriege, Trump, AfD. Was mag da noch kommen? Es ist so quälend und beunruhigend.
Die Stimmung ist im Keller
Aber wenn ich all das höre und sehe, dann denke ich oft: Ach, was sind mein Ärger mit der Verwandtschaft, mein hoher Blutdruck und der blöde Laubbläser gegen das Leid von Menschen, die täglich Krieg, Terror und Hunger erleiden? Und manchmal hilft dieser Gedanke ja auch, die eigenen Sorgen und den täglichen Ärger etwas zu relativieren und auch mal an andere zu denken.
Ich nehme mir dann vor, mich zusammenzureißen. Aber dann rauben mir genau diese Alltagssorgen nachts doch wieder den Schlaf. Und ich höre, dass es nicht nur mir so geht. Unser Denken und vor allem unser Fühlen werden eben doch wesentlich von dem bestimmt, was man den Nahhorizont nennt. Unser direktes Umfeld, unsere Familie, Freunde und Kollegen.
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