Sachliches ­Selbstporträt
"Hallo, ich bin übrigens MALERIN!"
Fridel Dethleffs-Edelmann malte sich selbst 1932 ganz im Stil der Neuen Sachlichkeit. Als eine der ersten Frauen hatte sie in Deutschland Kunst studiert
Die Künstlerin guckt auf ihrem Selbstporträt ungefähr so enthusiastisch wie auf einem biometrischen Passfoto. Sie trägt einen Malkittel und hält die Pinsel in der Hand, als wollte sie sagen: "Hallo, ich bin übrigens MALERIN!"
Bayrische Staatsgemäldesammlungen - Sammlung Moderne Kunst in der Pinakothek der Moderne, München
Pierre Jarawan
30.11.2025

Kunst hat viel mehr mit unserem ­Leben zu tun, als wir denken. Zum Beispiel revolutionierte die Malerei unsere Zahnhygiene, denn erst dank der Farbtube wurde die Zahnpastatube entwickelt. Kunst hilft uns ­also ­gegen Karius und Baktus!

Der Drink Bellini, die Süßigkeit ­Giotto, die Vorspeise Carpaccio – all das wurde nach Malern benannt. Der Einfluss von Kunst reicht sogar bis auf den Campingplatz, und daran hat die ­Künstlerin Fridel ­Dethleffs-Edelmann ihren Anteil. 1931 heiratete sie den Unternehmer Arist Dethleffs, der sie mitnahm auf seine Geschäftsreisen.

Die Gesellschaft ungeschönt darstellen

Da sie unterwegs malen wollte, kam er mit einer bahnbrechenden Erfindung um die Ecke: einem fahrbaren Atelier mit Schlafmöglichkeiten. Es war der erste in Deutschland gebaute Wohnwagen und der Grundstein für den Wohnwagenhersteller Dethleffs, den es bis heute gibt. Von der Kunst zum Komfortcamping ist es manchmal nur ein kurzer Weg.

Fridel Dethleffs-Edelmann war ­eine der ers­ten ­Malerinnen, die an einer Kunstakademie studierten, denn der Zugang war Frauen hierzulande bis 1919 offiziell verwehrt. Die Künstlerin guckt auf ihrem Selbstporträt ungefähr so enthusiastisch wie auf einem biometrischen Passfoto. Sie trägt einen Malkittel und hält die Pinsel in der Hand, als wollte sie sagen: "Hallo, ich bin übrigens MALERIN!"

Der neutrale Gesichtsausdruck und die klare, nüchterne Malweise sind typisch für die Neue Sachlichkeit. Diese Kunstströmung hatte ihre Hochphase in der Weimarer Republik (1919–1933). Man wollte die Gesellschaft ungeschönt darstellen mit all ihren Schattenseiten, ähnlich wie heutzutage Gangsta-Rap das harte Leben auf der Straße schildert.

Die Bilder der Neuen Sachlichkeit zeigen Bettler, Pros­tituierte oder vom Krieg versehrte Soldaten. Oftmals ähneln die Gemälde sozialen Studien, beispielsweise bei dem Künstler Otto Griebel, der einen komplett ­tätowierten Schiffsheizer malte, der aussieht, als hätte er beim Tattoo-Laden "einmal alles" bestellt.

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Dethleffs-Edelmanns ­Selbstbildnis wurde 1932 erstmals in Karlsruhe präsentiert und räumte bei der Schau "Die Frau im Bilde" den ersten Preis ab. Das Gemälde liefert den Beweis, dass Kunst nicht immer bunt und knallig daherkommen muss, um erfolgreich zu sein.

Kürzlich habe ich das Gemälde bei einer Ausstellung in der Kunsthalle Mannheim gesehen und konnte mich von dem eindringlichen Blick der Künstlerin kaum lösen. Wir alle ­kennen diesen ernsten Gesichtsausdruck aus unserer Kindheit, wenn die Frage aller Fragen kam: ­"Hast du dein Zimmer aufgeräumt?"

Über Dethleffs-Edelmanns Einstellung zum bald folgenden Nationalsozialismus ist wenig bekannt, die Quellenlage dünn. Sie nahm in dieser Zeit ­viermal in Folge an der Großen Deutschen Kunstausstellung in München teil, wo den Nazis genehme Kunst gezeigt wurde.

Einige Kunstschaffende der Neuen Sachlichkeit passten sich im Nationalsozialismus an das ­Regime an. Ihr nüchterner Stil eignete sich, um konventionelle oder völkische Themen zu malen. Klar ist, die Künstlerin hat mit der Neuen Sachlichkeit ­eine wichtige Kunstrichtung geprägt und das Thema Camping gleich noch mit.

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