Am Wochenende haben sich die Europäische Union (EU) und die USA im Zollkonflikt geeinigt. Seitdem bestimmt vor allem eine Zahl die Schlagzeilen: 15 Prozent. So hoch sollen die Zölle auf viele europäische Produkte sein, die aus Europa in die Vereinigten Staaten geliefert werden. Gedroht hatte US-Präsident Donald Trump mit Zöllen in Höhe von 30 Prozent ab August, also ab dieser Woche.
Die Reaktionen auf das Abkommen fallen wenig begeistert aus. Viele Stimmen warnen, dass besonders die exportorientierte deutsche Wirtschaft leiden werde. Andere betonen, immerhin herrsche nun für eine Weile Planungssicherheit.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und US-Präsident Donald Trump haben aber nicht nur über Zölle gesprochen. Die Einigung umfasst auch weitere, sehr heikle Punkte: So soll sich die EU verpflichtet haben, noch mehr Waffen in den USA zu kaufen. Und: Die EU sichert den Vereinigten Staaten zu, innerhalb von drei Jahren fossile Energie im Wert von 750 Milliarden US-Dollar (umgerechnet sind das 640 Milliarden Euro) aus den USA zu beziehen. So jedenfalls will Trump die Einigung verstanden wissen. Damit würden die Energieimporte aus den USA in den kommenden drei Jahren schlagartig um das Vierfache ansteigen. Konkret geht es vor allem um Flüssiggas und Öl. Das Signal ist verheerend, auf mehreren Ebenen:
- Wenn Öl und Gas verbrannt werden, wird CO₂ frei, das zur globalen Erderwärmung beiträgt. Auch wenn derzeit viele Menschen über den vermeintlich kühlen Sommer hierzulande klagen: Weltweit gesehen hat sich das Klima bereits auf gefährliche Weise erwärmt. Am Montag dieser Woche teilte der Rückversicherer Munich Re mit, dass Naturkatastrophen im ersten Halbjahr 2025 weltweit Gesamtschäden von etwa 131 Milliarden Dollar anrichteten. Nicht alle, aber viele dieser Schäden gehen auf Extremwetterereignisse zurück. Am Wochenende erst starben drei Menschen, als ein Zug im Kreis Biberach entgleist war – offenbar in Folge eines Erdrutsches. In der Gegend hatte es zuvor Starkregen gegeben. Es sind genau solche Extremwetterereignisse, vor denen die Wissenschaft seit Jahrzehnten warnt.
- Flüssiggas ist teuer. Wird solches Gas in Gaskraftwerken verbrannt, um Strom zu erzeugen, bestimmt sein Preis am Ende auch den Strompreis. Doch statt auf den weiteren Ausbau erneuerbarer Energie und große Batteriespeicher zu setzen, die einspringen, wenn Sonne und Wind nicht genügend Energie liefern, droht der Anreiz, in die Energiewende (und damit in Zukunftstechnologien, die günstig Strom produzieren) zu investieren, wieder zu erlahmen. "Wir sind komplett sprachlos", zitiert das "Handelsblatt" aus Kreisen eines großen deutschen Energiekonzerns mit Blick darauf, was EU und USA ausgehandelt haben. Strom wird teuer bleiben, die Zeche zahlen vor allem Haushalte mit wenig Geld, die anteilig viel für Energiekosten ausgeben müssen.
- Die EU torpediert ihr eigenes Klimaziel. Bereits 2027 soll der EU-Emissionshandel ausgeweitet werden. Bis 2050 will die EU klimaneutral sein. Das war und ist auch ein wichtiges Signal an Länder wie Indien und China. Wer aber soll der EU seit dem Wochenende in dieser zentralen Zukunftsfrage noch glauben?
- Viele Milliarden werden aus Europa in die USA fließen. Davon profitiert eine Administration, die sich seit Januar anschickt, das Mutterland der Demokratie in ein autoritäres Regime zu überführen. Man darf vermuten, dass sich Mitglieder der Regierung auch persönlich bereichern. Vielleicht halten sie Aktien von Unternehmen, die mit Öl und Gas Umsätze machen? Mit der Aufforderung "Drill, baby, drill!" hatte Trump schon im Wahlkampf dafür geworben, nach Öl zu bohren. Der US-Energieminister heißt Chris Wright. Der ehemalige Erdölmanager leugnet die menschengemachte Erderwärmung.
Wer sich je intensiver mit Klimaschutz und Energiewende befasst hat, kann nur frustriert zurückbleiben. Wie mutlos und duckmäuserisch kann die EU – ein Wirtschaftsraum mit immerhin 450 Millionen Menschen – denn noch auf der Weltbühne agieren? Die Folgen dieses "Deals" tragen wieder einmal die jungen Menschen und nachfolgende Generationen.
Man kann nur darauf hoffen, dass Donald Trump schon bald nichts mehr wissen will von dem, was er mit Ursula von der Leyen ausgehandelt hat. Oder dass seine Forderungen vergessen werden oder unrealistisch sind, weil sich Energielieferungen gar nicht so schnell steigern lassen - und seine Drohungen deshalb verhallen. Trump ist sprunghaft, jede Wendung scheint möglich. Aber es sind traurige Zeiten, in denen man darauf hoffen muss, dass sich in der Gedankenwelt eines notorisch erratischen Mannes irgendetwas zum Guten wendet.