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Auch wenn es nochmal kühler geworden ist: Der Frühling ist da. Zeit für eine Winterbilanz. Der war, erstens, rekordverdächtig mild. Warum nur? Zweitens aber war es auch ein Winter, in dem eben nicht „die Lichter ausgingen“. Davor hatte unter anderem Opposition gewarnt. Bruno Burger, verantwortlich für die Datenbank "Energy Charts" des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme (ISE), sagte dem Bayerischen Rundfunk: "Wir sind super durch den Winter gekommen. Es gab keine Stromknappheit. Die Abschaltung der Kernkraftwerke hat sich nicht negativ ausgewirkt auf die Stromversorgung im Winter."
Vor knapp einem Jahr, im April 2023, gingen die letzten deutschen Atomkraftwerke vom Netz. Und trotzdem wurde so wenige Kohle verbrannt wie 1959.
Die Erneuerbaren Energien sind eine Erfolgsgeschichte, und ich glaube auch nicht, dass die Atom-Träume zahlreicher Staaten daran etwas ändern, denn in Frankreich summieren sich die Kosten für einen Neubau inzwischen auf 13 Milliarden; zehn (!) Milliarden mehr als kalkuliert. Das ist nur ein Beispiel von vielen.
Strom aus Wind und Sonne ist mittlerweile konkurrenzlos günstig. Die sogenannten Stromgestehungskosten betragen für Sonnenstrom etwa sechs bis elf Cent für die Kilowattstunde. Freiflächenanlagen liefern noch günstigeren Strom. Windkraftanlagen an Land produzieren Strom für vier bis acht Cent pro Kilowattstunde. Experten wie Hans-Josef Fell erwarten deshalb den Durchbruch der Erneuerbaren.
Warum fossile Energien auch den grünen Strom verteuern
Das aber wirft eine Frage auf: Es kommt mehr Strom aus erneuerbaren Quellen, grüner Strom ist günstig – warum kostet Strom in Deutschland dann vergleichsweise viel? Auch wenn Strom zu Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine noch deutlich teurer war: Würde ich heute den Stromanbieter wechseln, müsste ich um die 30 Cent/Kilowattstunde zahlen. Mit einer mehrköpfigen Familie sind 150 Euro an Stromkosten im Monat schnell erreicht. Wie kann das sein?
„Die Frage kennen wir gut, wir haben sie in der fossilen Energiekrise in den vergangenen zwei Jahren auch von vielen Kund*innen gehört“, sagt Anja Fricke von Lichtblick. Lichtblick ist der größte Ökostromanbieter in Deutschland.
Fossile Energiekrise? Damit liefert Anja Fricke schon einen Teil der Antwort. Denn besonders der Preis für Gas hat einen Einfluss auf den Strompreis. Und der Gaspreis stieg nach dem russischen Angriff in schwindelerregende Höhen, als Deutschland die enorme Abhängigkeit von russischem Gas schlagartig vor Augen geführt wurde.
„Der Strompreis richtet sich immer nach den aktuellen Kursen an der Strombörse und der Erwartung der zukünftigen Preise. Die Strombörse funktioniert ähnlich wie eine Wertpapierbörse: Ob der Kurs steigt oder fällt, hängt von Angebot und Nachfrage ab“, erklärt Anja Fricke. „Die Nachfrage nach Energie wird am Strommarkt in einer gewissen Reihenfolge bedient. Als erstes wird Energie von günstigen Kraftwerken abgenommen – das sind erneuerbare Energien, denn sie haben niedrige Produktionskosten. Steigt die Nachfrage nach Strom, werden nach und nach immer teurere Kraftwerke angefragt und zugeschaltet.“
Und das sind häufig Gaskraftwerke. Sie sind gut steuerbar, lassen sich also schnell hoch- und wieder herunterfahren. Anja Fricke: „Den Strompreis an der Börse bestimmt das letzte, also das teuerste Kraftwerk, das zugeschaltet wird. Diesen Preis erhalten zu dem Zeitpunkt auch alle anderen Kraftwerke, die Strom geliefert haben. Das heißt: Auch Ökostrom kostet dann genau so viel wie Strom aus dem letzten Kraftwerk, auch wenn es ein fossiles Kraftwerk ist.“
Dieses Preisbildungsprinzip nennt sich Merit-Order-System. Und wenn Gas teuer ist, führt es dazu, dass auch Strom sehr teuer ist.
Auch grüner Strom aus Wind und Sonne? „Diesem Preismechanismus unterliegen alle Versorger – unabhängig von der Stromqualität, die sie liefern“, sagt Anja Fricke. Das Merit-Order-System hat also auch einen Einfluss auf Menschen, die Ökostrom beziehen.
Anja Fricke glaubt, dass die erneuerbaren Energien in Zukunft zu sinkenden Strompreisen für alle Kunden führen können. Doch sicher ist das leider nicht – vorerst. Denn die reine Energieerzeugung macht nur einen Teil des Strompreises aus. Ein anderer, gewichtiger Teil sind die Netzentgelte, die den Netzbetreibern zufließen. Und hier hat die Bundesregierung gerade erst einen milliardenschweren Zuschuss gestrichen, um ihr Haushaltsloch zu stopfen. Dadurch sind die Entgelte für die Netznutzung im Januar von 3,12 Cent je Kilowattstunde auf 6,43 Cent gestiegen. Schade, die Ampel hätte weit mehr Geld sparen können, wenn sie fossile Subventionen gestrichen hätte.
Auch der Ausbau der Stromnetze treibt die Kosten. Die sogenannten Stromautobahnen gelten – oft unhinterfragt – als alternativlos. Sie werden mit dem Klimaschutz und der Energiewende begründet, auch wenn es daran Zweifel gibt.