Naturspiritualität
"Die Nacht hat etwas Mystisches"
Elke Lorenz hat im Sommer zum ersten Mal an einer spirituellen Nachtwanderung teilgenommen. Das Erlebnis wirkt immer noch nach
Sternenhimmel
Elke Lorenz wanderte 20 Kilometer durch die Johannisnacht 2024. Von Freiburg bis Maria Lindenberg bei St. Peter.
Groschwitz
Privat
15.04.2025
3Min

chrismon: Hatten Sie bei der Nachtwanderung Angst im Dunkeln?

Elke Lorenz: Wäre ich alleine durch die Nacht gewandert, wäre mein Kopf voller Angst gewesen und meine Sinne im Alarmmodus. Wo ist Gefahr? Kommt ein Räuber? Ein Wildschwein, eine Ratte? Aber in der Gruppe habe ich mich getragen und beschützt gefühlt.

Elke LorenzPrivat

Elke Lorenz

Elke Lorenz, geboren 1965, arbeitet als kaufmännische Angestellte bei der Evangelischen Kirche in Baden, wohnt in Waldkirch bei Freiburg i.Br. und ist Mitglied der evangelischen Kirche.

Wie kamen Sie auf diese Idee?

Die Nacht hat unweigerlich etwas Mystisches. Es ist eine Grenzerfahrung. Ich habe mich gefragt: Wie wirkt die Nacht auf mich? Kommen da irgendwelche Ängste? Was ist Dunkelheit? Wo bleibt die gewohnte Sicherheit, wenn ich mich nicht mehr auf meine Augen verlassen kann?

Wie war es tatsächlich?

Ich habe gemerkt, dass die Nacht gar nicht stockfinster ist. Meine Augen haben sich an die Dunkelheit gewöhnt, meine Füße haben Augen bekommen, und ganz schnell war da eine Sicherheit. Da waren Schritte vor mir und da waren Schritte hinter mir und dazwischen meine eigenen Schritte. Ich brauchte nie weiter zu denken als bis zum nächsten Schritt. Da habe ich ganz schnell so eine Ahnung von einer Urkraft bekommen, die die ganze Welt zusammenhält. So viel Vertrauen!

Wurde während der Wanderung geredet?

Es war viel Gehen in Stille. Zwischendrin gab es verschiedene Stationen mit Liedern, Texten und Bewegungsübungen. Und dadurch, dass meine Sinne geschärft waren, habe ich den Input und die Gedichte viel intensiver wahrgenommen. So habe ich während des Gehens Bruchstücke eines Gedichtes von Liese Hoefer aus ihrem Buch "Atmende Erde – Wiederkehr der Hoffnung im Jahreskreis" innerlich weiter rezitiert:

Wir brauchen Geduld.
Es braucht mehr Kraft, als wir manchmal glauben zu haben.
Es gibt Segen, von dem wir vorher nicht wussten.
Die Wirklichkeit ist beides: Nacht und Tag, Licht und Schatten.
(...)
Im Sommer wird das Jahr wie erwachsen.
Und wir: wann geschieht es bei uns?

Was war für Sie der Höhepunkt?

Nach dreieinhalb Stunden haben wir eine längere Pause gemacht, eine halbe Stunde. Da die Nacht lau war und ich mich sicher fühlte, habe ich mich auf den Waldboden gelegt und in den Himmel geschaut. Ich erinnere mich noch genau: Die Nacht war voller Sterne. Diese Größe und Offenheit des Universums hat mir Ehrfurcht eingeflößt. Es hat mich demütig gestimmt. Ich konnte nicht anders, als zu summen: "Großer Gott, wir loben dich".

Lesetipp: Was ist der Unterschied zwischen Spiritualität und Religiosität?

Ich war so dankbar! Ich habe erlebt, dass ich Teil dieses großen Gewebes bin. "Ich bin Leben, das leben will, inmitten von Leben, das leben will", wie es Albert Schweitzer ausgedrückt hat. Das hat Türen nach innen geöffnet. Und diese Türen sind auch ein Dreivierteljahr später noch immer offen. Die Veränderung ist langsam in mein Bewusstsein gesickert.

Und als es dann Morgen wurde, wartete oben auf einer Wiese ein Frühstück auf uns. Da kam man ins Gespräch und merkte: Wir sind über Nacht zu Freunden geworden.

Und das, ohne zu sprechen.

Ja, da merkt man, dass das Herz spricht. Das ist wie im Wald die Bäume, die sich unter der Erde mit den Wurzeln vernetzen. Für uns war völlig klar: Wir treffen uns hier nächstes Jahr wieder.

Was kann die Natur, was die Kirche nicht kann?

Im Wald merke ich: "Gott atmet in allem, was lebt." Das ist ein Zitat der mittelalterlichen Mystikerin Hildegard von Bingen. Wenn ich durch den Wald gehe, spüre ich diesen Atem. In der Kirche spüre ich das weniger. Da ist so viel Bewegung, so viel Inhalt, so viel Text, so viel Liturgie. Das, was mich an Inhalten im Gottesdienst anspricht, nehme ich oft mit in den Wald, und dort wird es zu meinem Eigenen. Ich muss die Wahrheit für mich dahinter fühlen. Und da braucht es manchmal den Wald.

Infobox

Die Veranstaltung "Durch die Johannisnacht" wird im Rahmen des Netzwerks christlicher Naturspiritualität geerdetglauben.de angeboten. Sie ist Teil eines vom badenova-Innovationsfonds geförderten Projekts der Evangelischen Erwachsenenbildung Freiburg, das Naturverbundenheit stärken möchte. Die nächste spirituelle Nachtwanderung findet vom 27. auf den 28. Juni 2025 statt. Ähnliche Angebote für Bayern finden sich auf der Website ganzhier.de.

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