Soll das deutsche Entwicklungsministerium (BMZ) ins Auswärtige Amt eingegliedert werden? CDU und CSU verlangen das in den Koalitionsverhandlungen; die SPD, nicht zuletzt ihre noch amtierende Entwicklungsministerin Svenja Schulze, ist dagegen. Man kann nur hoffen, dass die Verteidiger des BMZ sich durchsetzen.
Dabei ist die deutsche Unterstützung für Länder im globalen Süden tatsächlich zersplittert und wenig koordiniert. Entwicklungs- und Außenministerium rangeln um Zuständigkeit, besonders bei der Flüchtlingshilfe. Daneben mischen das Wirtschafts-, das Umwelt-, das Verteidigungs- und das Innenministerium mit, etwa bei der Migrationssteuerung. Fachleute fordern seit langem, die Ressorts sollten nicht neben- oder gar gegeneinander arbeiten.
Laut der Union soll nun das Außenministerium das BMZ übernehmen und so für eine Entwicklungspolitik aus einem Guss sorgen. Die SPD will das Problem anders lösen: Die Ressorts sollen besser zusammenarbeiten und Entwicklungsleistungen anderer Ministerien ins BMZ wandern. Auch Hilfswerke wie Brot für die Welt, Misereor und die Welthungerhilfe wollen das BMZ erhalten.
Dafür gibt es gute Gründe. Das Entwicklungsministerium hat in der Regierung eine Sonderrolle: Anders als die meisten anderen Ressorts soll es nicht in erster Linie Interessen Deutschlands oder bestimmter Interessengruppen fördern – etwa Unternehmen, Landwirte, abhängig Beschäftigte. Sondern sein Kernauftrag ist, zur Minderung von Not und zu besseren Lebensverhältnissen in anderen, ärmeren Ländern beizutragen.
Dahinter stehen Werte wie globale Gerechtigkeit und Solidarität, aber auch eine nüchterne Einsicht: Für dringende globale Aufgaben müssen Staaten zusammenarbeiten, und das erfordert Verständnis für die Lage und die Perspektive der anderen. Nur das bietet Chancen, den Klimawandel und den Artenschwund einzudämmen, die Weltfinanz- und Handelsordnung zu stabilisieren oder Kriegen entgegenzuwirken.
Dass das BMZ in erster Linie auf die Sorgen von Entwicklungsländern blickt, macht es zu einer Art Anwalt dieser Länder im Kabinett. Nicht nur im Kampf um Mittel für Entwicklungsprogramme: Das BMZ kann in der Regierung deutlich machen, welche Folgen unsere Handels-, Finanz-, Wirtschafts- oder Außenpolitik für arme Länder hat. Denen schadet zum Beispiel, wenn Deutschland Plastikmüll nach Asien schafft, den Wettlauf auf Rohstoffe aus Afrika oder den Wettbewerb um niedrige Unternehmenssteuern anheizt und dafür sorgt, dass Kriegsflüchtlinge in armen Nachbarländern bleiben müssen.
Die Union will, dass Entwicklungspolitik deutschen Firmen zu Aufträgen verhilft
Das BMZ kann zwar Entscheidungen dazu nur sehr begrenzt beeinflussen. Aber unter Heidemarie Wieczorek-Zeul (1998–2009) und Gerd Müller (2013–2021) an seiner Spitze hat es da kleine Erfolge erzielt, etwa beim Schutz von Menschenrechten in globalen Lieferketten. Wenn die Entwicklungspolitik dem Außenministerium untersteht, wird die Rolle als Anwalt des Südens noch schwieriger. Und die Koordination mit den Ministerien für Wirtschaft, Inneres und Verteidigung wird dadurch nicht leichter.
Lesetipp: Regenwald-Rodung: Wie man Palmöl aus fairem Handel bekommt
Eine besser koordinierte Unterstützung für arme Länder ist aber nicht das Ziel der Union. Laut einem Papier, das aus den Koalitionsverhandlungen durchgesickert ist, will sie die Entwicklungspolitik eng verstandenen Eigeninteressen dienstbar machen. Sie soll deutschen Firmen zu Aufträgen verhelfen, Deutschlands Zugang zu begehrten Rohstoffen sichern und Migration vermindern helfen. In diese Richtung hat die Entwicklungspolitik sich unter vorigen Regierungen bereits bewegt, die Union will das festschreiben.
Das ist engstirnig und kurzsichtig. Natürlich dürfen an sinnvollen Entwicklungsprojekten auch deutsche Firmen verdienen. Aber die Union will, dass sie vorrangig bedacht werden; das würde Entwicklungsvorhaben teurer machen und Firmen im Süden benachteiligen statt fördern. Und Entwicklungshilfe zur Verringerung von Migration einzusetzen, ist bisher gescheitert und ein unerfüllbarer Auftrag.
Klar, die Bundesregierung muss das Wohl Deutschlands verfolgen. Das hängt aber auch von akzeptierten internationalen Regeln und vom Schutz der globalen Gemeingüter ab. Hier braucht Europa Verbündete im Süden – besonders jetzt, da die USA globale Regeln zu Makulatur erklären. Verbündete findet man nur mit Offenheit und Verständnis für arme Länder. Das bringt das BMZ mehr als alle anderen Ministerien ein. Es gerade jetzt zu erhalten und zu stärken, wäre weitsichtig und klug.